URI: 
       # taz.de -- Britische Siebenkämpferin holt Gold: Die Königin von London
       
       > Die Britin Jessica Ennis begeistert die Briten: Der perfekte Lauf, das
       > perfekte Lächeln, die perfekte Bauchmuskulatur. Aber ist das alles
       > wirklich echt?
       
   IMG Bild: Mit individuellem Union-Jack: Jessica Ennis feiert ihr olympisches Gold im Rahmen einer oscarverdächtigen Siegesfeier
       
       LONDON taz | Da ist sie wieder. Die Königin von London lächelt. Jeder in
       Olympialand kennt dieses Lächeln, kennt das Gesicht der besten
       Siebenkämpferin der Welt. Sendet sie gleich wieder eine ihrer Botschaften?
       „Ich glaube, das wird eine ganze Generation erwecken."
       
       Nein, sie ist es nicht selbst. Es ist nur ein Werbeplakat von Adidas. Egal.
       Man glaubt, sie trotzdem zu hören. „Das sind so wichtige Tage für die
       britische Leichtathletik." Jessica Ennis ist omnipräsent in London. Sie ist
       flächendeckend plakatiert.
       
       Sie hat eine irrwitzige Präsenz in der Metropole. Keine der mit Erwartungen
       überfrachteten britischen Sportler stand vor ihrem Wettbewerb so unter
       Druck wie sie. „Es war ein schöner Druck“, sagt sie nach ihrem
       [1][spektakulären Start-Ziel-Sieg], nach einer fabelhaften persönlichen
       Bestleistung (6.955 Punkte), die ihr die fest eingeplante Goldmedaille
       eingebracht haben.
       
       Sie steht in der Interviewzone unter dem Olympiastadion. Ist sie echt? Nach
       sieben aufreibenden Wettbewerben sieht sie aus wie auf den unzähligen
       Plakaten in der Stadt. Die Professionalität der 26 Jahre jungen Frau ist
       erschütternd. Wenn ein Fotoapparat auf sie gerichtet wird, strahlt sie,
       wenn jemand mit ihr redet, lächelt sie. Unglaublich, sie ist wirklich echt.
       
       ## Verwirrung um zweiten Platz
       
       Während die After-Show-Party der Jessica Ennis nach dem finalen
       800-Meter-Lauf mit der Ehrenrunde eingeläutet wird, steht noch nicht fest,
       wer hinter ihr Zweite geworden ist. Nach ihr gibt es an diesem Abend für
       sie und die britischen Fans nichts. Statt ihren besten Siebenkampf zu
       feiern, den sie je abgeliefert hat (6.649 Punkte) diskutiert Lili
       Schwartzkopf mit einer Kampfrichterin, die sie disqualifiziert hat.
       
       Sie soll in der Startphase des 800-Meter-Laufs ihre Bahn verlassen haben.
       Schwartzkopf weiß, dass sie Silber gewonnen hätte, wenn man sie in der
       Wertung beließe. Sie schaut sich ein Video des Laufs an. Hinterher erzählt
       sie, wie das war. „Uuuuuh, da habe ich tatsächlich einen Fuß auf der Linie
       gesehen. Und uuuuh, es war nicht meiner.“
       
       Die Disqualifikation wird aufgehoben, noch bevor der deutsche Verband
       Protest eingelegt hatte. „Ich werde den britischen Humor nie verstehen“,
       sagt Schwartzkopf. Sie sieht aus, wie eine Sportlerin für gewöhnlich nach
       einem Siebenkampf aussieht. Verschwitzt, die Haare ein wenig in Unordnung.
       Sie sieht echt aus – im Gegensatz zur Siegerin Jessica Ennis.
       
       Ennis hat gar nicht mitbekommen, dass es über die Besetzung des Podiums
       heftige Diskussionen gab. Mit ihrem ganz persönlichen
       Jessica-Ennis-Union-Jack bestreitet sie die Ehrenrunde. Es ist ihr Tag. Er
       wirkt wie inszeniert. Die zwei anderen britischen Goldmedaillen an diesem
       Abend durch Weitspringer Greg Rutherford und Mo Farah über 10.000 Meter
       werden vergeben, während Ennis ihren Erfolg zelebriert.
       
       ## Männer in der Nebenrolle
       
       Die zwei Männer teilen sich den Sportoskar des Tages für die besten
       Darsteller in einer Nebenrolle an diesem Tag. Was für eine Regie! War hier
       wieder Danny Boyle am Werk? Doch auch Ennis weiß, dass nicht immer alles
       perfekt laufen kann in einem Sportlerinnenleben.
       
       In Peking fehlte sie verletzt, bei der WM vor einem Jahr verlor sie Gold,
       weil sie mit dem Speer nicht richtig zurechtgekommen ist. Da war sie
       bereits die große Botschafterin der britischen Leichtathletik. Als Patin
       eines privaten Sportföderprogramms machte sie Reklame für die Wettbewerbe
       auf Bahn und Feld.
       
       Der britische Finanzjongleur und Sportnarr Barre Wells hat nach den Spielen
       von Peking, von denen er so begeistert war, einen Fonds von 2 Millionen
       Pfund (2,5 Millionen Euro) gestiftet, mit dem er Sportler fördert. Er ist
       so etwas wie der Dietmar Hopp des englischen olympischen Sports. Ennis war
       eines seiner ersten Projekte.
       
       Sie sei zwar in Peking verletzt gewesen, habe bis 2008 nie einen großen
       Wettbewerb gewonnen, aber „ich wusste, dass da ein ganz großes Talent war.“
       Das Projekt Ennis wurde gestartet. 2009 in Berlin wurde sie Weltmeisterin.
       Die 21 Sportler, die er mit 8.000 Pfund (10.000 Euro) im Jahr fördert,
       müssen als Gegenleistung in Schulen gehen und Reklame für das Sporttreiben
       machen.
       
       ## Die Pflichten der Gewinnerin
       
       Wells privates Förderprogramm, das für eine Stabhochspringerin schon mal
       neue Stäbe finanziert oder eine Trainerstelle, ist der private Arm des
       offiziellen olympischen Hinterlassenschaftsprogramms.
       
       Und hier hat wieder der Satz seinen Platz, den Ennis, am späten
       Samstagabend so oft gesagt hat: „Ich glaube, das wird die nächste
       Generation erwecken.“ Bei aller Freude über ihre Goldmedaille, vergisst sie
       nie ihre Rolle als Sportbotschafterin. Ein irrwitzig perfekter Auftritt.
       
       5 Aug 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!98864/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Olympia – Zehnkampf: Der allmächtige Herr Eaton
       
       Der US-Amerikaner Ashton Eaton macht sich souverän zum König der Könige und
       holt Zahnkampf-Gold. Bester Deutscher: Freimuth statt Behrenbruch.
       
   DIR Olympia – 400-Meter-Lauf: Insulaner siegen auf der Insel
       
       Grenada siegt vor Dominikanischer Republik und Trinidad und Tobago.
       Insulaner rennen einfach mit Sonnenenergie. Belgien kann da nicht
       mithalten, auch nicht in doppelter Ausführung.
       
   DIR Olympia – Stabhochsprung: Königin der Stäbe wird bronziert
       
       Wenn es drauf ankommt, patzen sie: Die mitfavorisierten deutschen
       Stabhochspringerinnen holen nichts, Königin Jelena Issinbajewa Bronze und
       Jennifer Suhr Gold.
       
   DIR Jamaikas Sprint-Brigade: Der Erleuchtete
       
       Er ist der schnellste Mann der Welt und weiß sich in Szene zu setzen: Usain
       Bolt flirtet mit Journalisten, gibt den Arroganten und sieht sich selbst
       schon als Legende.
       
   DIR Somalischer Immigrant holt Gold für GB: Ein Triumph für Londons Muslime
       
       Migranten aus Somalia sind in Londons Multikulti-Hierarchie weit unten.
       Aber jetzt holt einer Gold und wird zum Helden: Mo Farah, Sieger des
       10.000-Meter-Laufs.
       
   DIR Olympia – Marathon: Eine 42 Kilometer lange Postkarte
       
       Sightseeing mal anders. Binnen 2:23:07 passiert die Äthiopierin Tiki Gelana
       die Londoner Sehenswürdigkeiten, stellt einen neuen olympischen Rekord auf
       und gewinnt Gold.
       
   DIR Olympia – 100-Meter-Lauf: Fraser-Pryce gekrönt
       
       Die Jamaikanerin hat schön lackierte Fingernägel und eine gelbe Schleife im
       Haar. Dann läuft sie los und holt sich Gold. Knapp, aber so ist das eben
       beim 100-Meter-Lauf.
       
   DIR Olympia Tag 8 – Die Nacht: Erst disqualifiziert, dann versilbert
       
       Der Siebenkampf wird zum Spektakel, weil Jessica Ennis die erste britische
       Goldmedaille bei der Leichtathletik einfährt. Richtig spannend wird die
       Frage nach Silber.
       
   DIR Olympia – Diskuswerfen: Sandra Perkovics goldener Wurf
       
       Zwei Deutsche waren unter den zwölf Finalistinnen beim Diskuswerfen. Es hat
       nicht für eine Medaille gereicht. Die anderen haben einfach lauter
       geschrien.
       
   DIR Olympia – Bahnrad: Die Fahrradverückten
       
       Weiteres Radelgold geht an Großbritannien. Das Viererteam der Männer
       ersprintet einen neuen Weltrekord. Victoria Pendleton holt das dritte
       britische Gold im Velodrom.
       
   DIR Olympia – Radzeitfahren: Es ist ein Brite!
       
       Das vierte olympische Gold: Bradley Wiggins, der erste britische Tour de
       France-Sieger gewinnt auch in London. Tony Martin wird immerhin Zweiter.
       Das optische Gold holt ein Spanier.