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       # taz.de -- Sexismus in Belgien: Machos in Aktion
       
       > Eine belgische Studentin fühlt sich auf der Straße belästigt. Um das zu
       > beweisen, filmt sie heimlich, wie sie angemacht wird. Das Video hat eine
       > Debatte ausgelöst.
       
   IMG Bild: Filmte ihre Begaffer: Sofie Peeters.
       
       PARIS taz | Gedreht hat Sofie Peeters ihren Film in Brüssel. Dieselben
       Szenen hätte sie wahrscheinlich auch in Paris, Rom, Berlin oder Kiew filmen
       können.
       
       Für ihre Examensarbeit im letzten Studienjahr hat die belgische
       Filmstudentin einen Aspekt des Straßenalltags dokumentarisch festgehalten:
       das Brunstgebaren der ganz ordinären Machos und ihre von deplatzierten
       Einladungen bis an den Rand der sexuellen Aggression reichenden Bemerkungen
       und anzüglichen Gesten.
       
       Solche Machos dürften wohl in der belgischen Kapitale nicht zahlreicher
       sein als anderswo. Dennoch hat Peeters laut einem Blog der französischen
       Zeitung Le Monde damit in ihrem Land eine Debatte ausgelöst.
       
       Das ist das große Verdienst ihres Projekts: Begleitet von einer versteckten
       Kamera spaziert sie durch die Straßen von Brüssel, um zu filmen, wie sie
       von Männern angemacht und belästigt wird. Sie hatte es, wie sie erklärt,
       selber ganz einfach satt, jeden Tag in ihrem Quartier auf der Straße von
       Unbekannten fünf bis zehn Mal so bedrängt und beleidigt zu werden.
       
       Sie weiß – spätestens aufgrund der zahlreichen Reaktionen auf ihren Film –,
       dass sie bei Weitem keine Einzelfall ist. In einem Interview mit dem
       belgischen Sender RTBF sagt sie, sie habe sich irgendwie schuldig gefühlt
       und, wie viele Frauen in dieser Situation, sich zuerst gefragt, ob das
       nicht an ihr liege, an ihrem Aussehen, ihrer Frisur, ihren Kleidern oder
       Verhalten.
       
       Darum ist der Macho-Test auf der Straße, der die Zuschauer zu Augenzeugen
       macht, sehr nützlich. Sofie Peeters ist eine hübsche, natürlich aussehende
       junge Frau, sie ist weder speziell geschminkt noch besonders aufreizend
       angezogen mit ihrem Sommerkleid und ihren halbhohen Stiefel.
       
       ## Als Miststück beschimpft
       
       Trotzdem scheinen manche Männer diese Erscheinung als Einladung zum
       Anmachen zu verstehen. Dass sie ihr ungefragt beim Vorbeigehen ein Glas in
       einem Café anbieten, wäre nicht schockierend, andere aber laden sie gleich
       direkt ins Bett im Hotel oder bei sich ein. Vor einer Wirtshausterrasse
       jagen die Machos in Meute, als müssten sie sich gegenseitig ermuntern. Sie
       pfeifen der Frau hinterher und machen anzügliche Bemerkungen über ihren Po.
       Andere beschimpfen sie gar als „Saloppe“ (Miststück) oder „Chienne“
       („geiles Luder“).
       
       Das tönt vielleicht nach Klischee, dank des Films wird das zum Dokument.
       Diskutabel ist hingegen die Auswahl des Quartiers, das wie ebenfalls zu
       sehen ist, vorwiegend von Immigranten aus Nordafrika bewohnt ist. Da in der
       Tat „neun von zehn“ Männern, die sie vor der Kamera belästigt haben,
       ausländischer Herkunft seien, habe sie befürchtet, sich dem
       Rassismusvorwurf auszusetzen.
       
       Ein wenig naiv tönt ihre Entgegnung, die in ihrem Film gezeigten Machos mit
       Migrationshintergrund seien „nicht repräsentativ für die maghrebinische
       Gemeinschaft“. Was der Film zeigt, ist ein Teil der Realität. Peeters hätte
       aber (ergänzend) auch dokumentieren können, dass Einheimische sich in
       dieser Hinsicht auch nicht korrekter aufführen.
       
       ## Unterschied zwischen Flirt und Belästigung
       
       Ihr Film hat auch in Frankreich eine fällige Diskussion über die Frage
       ausgelöst, wo genau denn der Unterschied zwischen Flirt und Belästigung
       sei. Es fehlt nicht an Online-Kommentaren von Männern, die schreiben, es
       sei doch wohl noch erlaubt, „Komplimente“ zu machen. Ob sie darunter
       darunter dasselbe verstehen wie die betroffenen Frauen, ist eine andere
       Frage.
       
       Eine Bloggerin beim Nouvel Observateur, Gaëlle-Marie Zimmermann, versucht
       in drei Punkten eine Grenze zu ziehen: Erstens braucht es für eine
       Begegnung zwei Menschen. Zweitens braucht es eine gegenseitige Zustimmung
       für eine Kontaktaufnahme. Drittens die stillschweigende oder explizite
       Ablehnung beendet den Annäherungsversuch, und stellt in keiner Weise eine
       Rechtfertigung sexistischer Beleidigungen dar. Das sollte eigentlich
       selbstverständlich sein, ist es aber leider nicht.
       
       Die Pariser Ministerin für Frauenfragen, Nadjat Valluad-Belkacem, überlegt
       sich, ob das erst gerade revidierte Gesetz gegen sexuelle Belästigung und
       Nötigung nicht um den Straftatbestand der herabwürdigenden und
       beleidigenden Anmache auf der Strasse erweitert werden muss.
       
       2 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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