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       # taz.de -- Subventionstrick der Bundesregierung: 2,3 Milliarden für Energiefresser
       
       > Die Bundesregierung will auch nach 2012 auf Ökosteuer-Zahlungen von
       > energieintensiven Betrieben verzichten. Dafür trickst sie EU-Auflagen
       > aus.
       
   IMG Bild: Stromgroßverbraucher: BASF-Werk in Ludwigshafen.
       
       FREIBURG taz | Die Bundesregierung will die Steuererleichterungen für
       energieintensive Betriebe über das Jahr 2012 hinaus verlängern. Laut einem
       Beschluss des Kabinetts vom Mittwoch sollen die betreffenden Unternehmen
       auch in den kommenden zehn Jahren jährlich Subventionen in Höhe von
       zusammen 2,3 Milliarden Euro erhalten.
       
       Die Steuernachlässe in ihrer bisherigen Form laufen zum Jahresende aus,
       weil die Europäische Kommission darin eine unzulässige Beihilfe sieht. Mit
       einem Kniff jedoch will die Bundesregierung nun den Fortbestand im Strom-
       und Energiesteuergesetz in unveränderter Höhe ermöglichen: Die Unternehmen
       müssen zum einen ein Energiemanagementsystem einführen, also ihren
       Energieverbrauch systematisch erfassen und in einem strukturierten Prozess
       Einsparpotenziale ermitteln (womit Einsparungen nicht zwingend verbunden
       sind).
       
       Zum anderen muss das produzierende Gewerbe insgesamt seinen spezifischen
       Energieverbrauch um 1,3 Prozent jährlich senken. Der Clou: Sind solche
       Bedingungen definiert, sind die Subventionen fortan EU-kompatibel.
       Umweltminister Peter Altmaier (CDU) nannte das Gesetz am Mittwoch „eine
       gute Lösung für den Standort Deutschland“. Es schaffe Planungssicherheit
       für das Gewerbe und diene dem Schutz von Arbeitsplätzen. Laut
       Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zeigt es „wieder einmal, dass
       erfolgreiche Wirtschaftspolitik und kluge Umweltpolitik Hand in Hand
       gehen“.
       
       Die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen, Bärbel Höhn, wirft dem
       Wirtschaftsministerium nun vor, „Erfüllungsgehilfe“ des Bundesverbandes der
       Deutschen Industrie (BDI) zu sein. Dieser habe „quasi seine Linie
       durchgesetzt“. Ähnlich urteilt das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft
       (FÖS): Der Gesetzentwurf entspreche „weitgehend dem, was die Industrie
       selbst vorgeschlagen hat“, sagt dessen Energieexpertin Swantje Küchler.
       
       ## „Klimaschädliche Milliardensubvention“
       
       Somit ergebe sich „eine klimaschädliche Milliardensubvention, die die Ziele
       der eigenen Energiewende torpediert“. Steuer-Vergünstigungen müssten mit
       „einer ambitionierten und überprüfbaren Gegenleistung“ verknüpft sein, die
       von der Regierung aber nicht eingefordert werde.
       
       Umweltexperten aus Wissenschaft und Verbänden halten die gesetzlichen
       Effizienzvorgaben für wirkungslos. Der Zielwert von jährlich 1,3 Prozent
       werde „schon allein durch Strukturwandel, Energiewende und technologischen
       Fortschritt erreicht“, heißt es zum Beispiel bei der Deutschen
       Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff).
       
       Durch die genannten Faktoren verbessere sich die Energieproduktivität der
       deutschen Wirtschaft auch ohne gesetzliche Vorgaben um etwa 1,7 Prozent im
       Jahr. Deneff-Vorstand Christian Noll nennt die Novelle daher eine
       „Mogelpackung ohne jeden Anreiz“; die Regierung verlange von den
       Unternehmen „faktisch keine zusätzlichen Effizienzsteigerungen“.
       
       Auslöser der Debatte ist die Stromsteuer, die 1999 als Bestandteil der
       ökologischen Steuerreform eingeführt wurde. Sie sollte Anreize zum
       sparsamen Umgang mit Energie schaffen. Im Gegenzug wurden die Beiträge zur
       Rentenversicherung gesenkt. Übersteigt nun die Belastung eines Unternehmens
       durch die Stromsteuer die Entlastung bei der Rentenversicherung, bekommen
       die Firmen bis zu 90 Prozent der Differenz erstattet.
       
       Im vergangenen Jahr kamen bei der Stromsteuer 23.419 Unternehmen in diesen
       Genuss, bei der Energiesteuer waren es 11.473 Unternehmen.
       
       1 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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