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       # taz.de -- Straßenradrennen bricht Zuschauerrekorde: Die Briten im Wiggingsfieber
       
       > So viel Sonnenbrand war selten in der Londoner U-Bahn: Noch nie haben
       > mehr Menschen ein Radrennen am Straßenrand verfolgt. Gewonnen hat ein
       > Untoter.
       
   IMG Bild: Radsportparadies London
       
       LONDON taz | Für diesen Tag war keine Sonnecreme stark genug. So viel
       Sonnenbrand war selten in der Londoner U-Bahn. Nach dem [1][Straßenrennen
       der Radprofis am Sonntag,] das mehr Menschen verfolgt haben, als je ein
       Radrennen zuvor, sind nicht wenige erschrocken, als sie nach der
       Entscheidung im gedämpften Licht des Londoner Untergrunds erkannten, was
       die Liebe zum Radsport ihrer Haut angetan hat.
       
       Die Briten haben das Straßenradrennen, das im historischen Herzen der
       Stadt, gestartet und beendet wurde, zu dem Publikumsevent der Spiele
       gemacht. Stundenlang harrten sie an der Strecke aus – in der Stadt, auf dem
       Land, den ganzen Tag. In Deutschland mag der Radsport tot sein. Auf der
       Insel wird er geliebt. Dort liegt das Radsportparadies.
       
       Gewonnen hat am Ende ein Untoter, direkt aufgestiegen aus der Hölle der
       sinistren Pedalritter. Der Olympiasieger kommt aus Kasachstan. Doch die
       Briten werden sich so schnell nicht aus ihrem Paradies vertreiben lassen,
       auch wenn ihr Favorit an diesem Tag, [2][Weltmeister Mark Cavendish,] am
       Ende keine Chance hatte. Sie glauben einfach an das Gute im Radsport.
       
       Der Sieg von [3][Alexander Winokurow,] der sieben Kilometer vor dem Ziel
       einem Angriff des späteren Silbermadaillengewinners Rigoberto Uran Uran aus
       Kolumbien als einziger hat folgen können, war nicht mehr als eine kleine
       Ohrfeige für die britischen Fans. Ihr Sonnenbrand wird sie länger
       beschäftigen als die Wiederauferstehung eines verurteilten Sportbetrügers
       bei den Londoner Spielen.
       
       ## Wiggingsfieber kurbelt Fahrradverkäufe an
       
       Den Briten gehört weiterhin der [4][Sieg bei der Tour de France,] für den
       sich Bradley Wiggins am Ende des olympischen Straßenrennens, als er
       abgeschlagen und alleine über die Ziellinie gefahren ist, noch einmal hat
       feiern lassen. Er war es, der mit seinem Triumph in Frankreich die
       Olympiastimmung im Land hochgehalten hat, dessen Leistungen die Debatten um
       Probleme im Londoner Nahverkehr und die militärische Absicherung der Spiele
       mit seiner Fahrt durch Frankreich überlagerten.
       
       Er wird als Vorbild für eine ganze Nation beinahe überall vorgeführt an
       diesen Tagen. Sogar als Rettungsengel für die kränkelnde Wirtschaft gilt
       er. Weil Wiggins so gut gefahren ist, ist der Umsatz im Fahrradhandel in
       der letzten Woche der Tour de France um fünf Prozent gestiegen, wie Zahlen
       der Kreditkartenfirma Visa belegen. Fünf Prozent Wachstum! Ein wahre
       Traumzahl im Krisenland Britannien.
       
       Kein Wunder, dass so einer dazu ausersehen wird, die olympische Glocke zum
       Auftakt der Spiele im Olympiastadion anzuschlagen. Die Engel, die gegen
       Ende der Eröffnungsfeier durch das Stadion flogen, sie saßen auf
       Fahrrädern. Auf einem solchen sitzt auch der Fahnenträger der britischen
       Mannschaft für gewöhnlich, der vierfache Olympiasieger Chris Hoy, der
       längst von der Königin zum Ritter geschlagen worden ist.
       
       Ein solcher soll auch Wiggins werden. Eine Initiative setzt sich bereits
       öffentlich für den Ritterschlag ein. Wo in Deutschland längst weggehört
       wird, da schenkt man auf der Insel einem wie Wiggins noch Glauben. Dopen
       würde er nie, hat er gesagt, das ginge gar nicht. Wie könne er sich da noch
       sehen lassen in seinem Dörfchen in Lancashire.
       
       ## Doping? Vorbei!
       
       „Das Doping-Kapitel liegt hinter mir“, sagte Winokurow nach seinem
       Olympiasieg. Bei der Tour de France 2007 war er mit fremden Blut in den
       Adern unterwegs. Dafür ist er zwei Jahre gesperrt worden. Er ist immer für
       Teams gefahren, deren Fahrern eine besondere medizinische Behandlung zuteil
       wurde: Bei Liberty Seguros, wo Eufemiano Fuentes seine Eigenbluttherapien
       früh etabliert hat, zuvor beim mittlerweile berüchtigten Team T-Mobile und
       schließlich beim nicht weniger umstrittenen und einmal sogar von der Tour
       ausgeschlossenen kasachischen Staatsteam Astana.
       
       Am Samstag hat er gesagt: „Es ist jetzt nicht die Zeit, um über Doping zu
       sprechen.“ Am Mittwoch will der 38-Jährige seine schmutzige Karriere, in
       der er sich unter anderem den Sieg beim Frühjahrsklassiker
       Lüttich-Bastogne-Lüttich gekauft haben soll, endlich beenden. Das
       olympische Zeitfahren soll das letzte Rennen seiner Karriere sein.
       
       Darauf freuen sich die Briten ganz besonders und werden da ganz gewiss
       nicht von Doping reden. Die Goldmedaille in diesem Wettbewerb haben sie
       schon lange fest eingeplant. Bradley Wiggins soll sie gewinnen. Auf Gelb
       soll Gold folgen. Und niemand wird sich wundern, wenn danach der Umsatz in
       den Fahrradläden wieder ansteigt. Das Wetter am Mittwoch soll übrigens
       nicht ganz so gut werden, wie es am Samstag war. Gut für die Haut der
       britischen Radsportnarren.
       
       29 Jul 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Olympiafinale--Strassenrennen-Maenner/!98219/
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   DIR [3] /Radsportprofi-Winokurow/!83357/
   DIR [4] /Bradley-Wiggins-siegt-bei-Tour-de-France/!97782/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
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