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       # taz.de -- Träger rechnen mit Verlust: Kitas in der Schuldenbremse
       
       > Der Hamburger Senat will Preis- und Tarifsteigerungen bei der
       > Kinderbetreuung nicht refinanzieren. Die Träger rechnen dann mit bis zu
       > 55 Millionen Euro Verlust.
       
   IMG Bild: Müssen schon wieder um Geld kämpfen: Hamburger Kita-Beschäftigte.
       
       Der Kita-Bereich gilt als Schwerpunkt des SPD-Senats. Doch drohen auch hier
       Kürzungen. Denn der Senat will die „Entgelte“ für die Kita-Gutscheine, über
       die in Hamburg die Kinderbetreuung finanziert wird, nicht an die realen
       Preissteigerungen anpassen. Dabei ist er per „Landesrahmenvertrag“ dazu
       verpflichtet.
       
       Es geht zunächst um rund elf Millionen Euro für das Jahr 2012 und – so hört
       man von den Trägern – um einen Verlust von bis zu 55 Millionen Euro bis
       2015. Eigentlich steigen die Entgelte jährlich um zwei bis drei Prozent, je
       nach allgemeinem Anstieg von Lebenshaltungskosten und Löhnen. Für 2012 zum
       Beispiel einigten sich im Bund schon im Frühjahr die Tarifpartner auf eine
       Erhöhung von 3,5 Prozent. Die gleiche Vereinbarung für Hamburg ist
       unterschriftsreif.
       
       Nach der Systematik, die im Landesrahmenvertrag zwischen Stadt und
       Träger-Verbänden festgehalten ist, werden Lohn- und Preissteigerungen
       jeweils im Folgejahr an die Kitas weitergegeben. Für 2012 bedeutet dies
       einen Anstieg um 2,1 Prozent. Das ist schon knapp, um die Tarifsteigerung
       aufzufangen.
       
       Doch SPD-Sozialsenator Detlef Scheele will nun auch die Kitas auf eine
       geringere Steigerung von jährlich 0,88 Prozent verpflichten, mit Blick auf
       die Schuldenbremse. Dafür machte er den Verbänden drei Vorschläge: Entweder
       sie akzeptieren für 2012 eine Nullrunde. Oder es gibt in 2013, 2014 und
       2015 jeweils nur besagte 0,88 Prozent. Oder aber – die dritte Variante –
       bei der Steigerungsrate drei Mal einen Abzug von einem Prozent.
       
       Die Wohlfahrtsverbände, die Anfang August wieder in der Vertragskommission
       mit der Stadt reden, sind nicht gewillt, dies zu akzeptieren. Sei man doch
       schon für 2011 – nachdem der Fall in eine Schiedskommission ging – der
       Stadt entgegengekommen und habe eine sehr niedrige Rate von 1,45 Prozent
       akzeptiert. „Wir werden auf die Vertragserfüllung pochen“, sagt Sabine
       Kümmerle vom Wohlfahrtsverband „Soal“. Notfalls rufe man wieder den
       Schlichter. Der hatte die Vertragsauslegung für die Zukunft eigentlich
       geklärt. Im Prinzip muss Scheele den Vertrag kündigen, will er sich
       durchsetzen.
       
       Die Fraktion „Die Linke“ sieht den Kita-Ausbau in Gefahr. Denn ohne
       Erhöhung der Entgelte sei es nicht möglich, die Erzieher besser zu
       bezahlen. „Dies ist aber dringend nötig“, sagt der Jugendpolitiker Mehmet
       Yildiz. „Im Kita-Bereich arbeiten viele Erzieherinnen in Teilzeit“, einige
       seien Hartz-IV-Aufstocker. „Der Senat muss den Tarifabschluss
       refinanzieren“, ergänzt Fraktionskollege Tim Golke. Andernfalls drohe ein
       Abwandern der Beschäftigten in Nachbarländer. Erzieher werden überall
       gesucht.
       
       Die Linksfraktion rechnet vor, dass in Hamburg bis 2014 bis zu 2.050
       Fachkräfte fehlen, weil parallel der Kita-Anspruch für Zweijährige und die
       ganztägige Betreuung an Grundschulen (GBS) ausgebaut wird und zudem auch
       noch die Kitas in sozialen Brennpunkten personell verstärkt werden. Das sei
       gut, aber ohne Fachkräfte nicht machbar. Erste Engpässe zeigen sich an den
       58 GBS-Standorten. Bislang genehmigte die Behörde für 51 Stellen die
       Besetzung mit anders qualifizierten Personen.
       
       Die Sozialbehörde geht davon aus, dass Hamburgs Erzieher gut bezahlt sind
       und auch die neuste Tariferhöhung umgesetzt werden kann. „Die Entgelte
       bieten Spielräume, die in der derzeitigen Finanzkrise genutzt werden
       müssen“, so Sprecherin Nicole Serocka. „Optimierungen“, beispielweise bei
       den Sachkosten, seien „immer möglich“.
       
       Das weist Kümmerle zurück. Egal ob Mieten, Energie oder Lebensmittel, die
       für Kitas relevanten Kosten stiegen „auf allen Ebenen“ und es kämen neue
       hinzu. So müssten Kitas jetzt auch GEZ zahlen und neue Gesundheitsauflagen
       erfüllen. Kümmerle: „Da ist keine Luft.“
       
       27 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
       ## TAGS
       
   DIR Schuldenbremse
       
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