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       # taz.de -- Transportfahrrad zum Selberbauen: Das Selbstbau-Fortschrittsgefährt
       
       > Sie sind praktisch beim Einkaufen und Transport von Kindern:
       > Transportfahrräder. Mit einer Anleitung kann sich jeder eins selber
       > bauen. Ein Selbstversuch.
       
   IMG Bild: Testfahrt: Noch sitze ich ein bisschen steif auf dem Sattel.
       
       HAMBURG taz | Vor ein paar Wochen habe ich im Hamburger Gängeviertel eine
       Entdeckung gemacht: ein dreirädriges Transportrad, hinten eins, vorne zwei
       Räder, mit einem rechtwinkligen Aluminium-Gestell und einer auf der
       Vorderachse montierten Tragefläche.
       
       „Das ist ein Prototyp“, erklärte mir Till Wolfer, der in der Nähe stand.
       Neben dem schlichten Lastenrad stand ein weiteres Modell, die
       Liegeradvariante. Der Designer, Künstler und Aktivist sagte, dass die
       beiden Räder hier vor allem zum Einkaufen genutzt werden, aber auch, um
       Werkzeug in der Stadt hin und her zu fahren.
       
       [1][Das Rad], das er zusammen mit dem dänischen Designkollektiv N55
       konzipiert hat, ist ein „Open Source“-Modell. Denn die Anleitung, nach der
       sich jeder selbst ein Lastenrad bauen kann, steht im Internet zur freien
       Verfügung.
       
       Hinter dem Projekt mit dem Namen „XYZ Spaceframe-Lastenrad“ verbirgt sich
       aber noch mehr als ein praktisches Transportmittel, die Designgruppe
       versteht es auch als eine Absage an die auto-dominierte Stadt. Das Rad ist
       so bemessen, dass es mit seinen 92 Zentimetern Breite gerade nicht mehr auf
       die zwei Zentimeter schmaleren Radwege passt. So lastenradelt man also auf
       der Straße.
       
       ## Lastenräder sind immer noch exotisch
       
       Lastenräder kommen immer noch ein wenig exotisch daher, obwohl man sie in
       größeren Städten immer häufiger sieht. In Hamburg begegnet man hin und
       wieder einem der dänischen Christiania-Bikes, den Transport- und
       Lastenfahrrädern, die die Kopenhagener Kommune seit 30 Jahren bauen lässt.
       
       Die sind mit rund 1.300 Euro für die Grundausstattung aber immer noch recht
       teuer, obwohl sie längst nicht mehr nur in der Kopenhagener Kommune
       produziert werden. Andere Modelle kosten schnell mehr als 2.000 Euro. Aber
       mit handelsüblichen Fahrrädern lässt sich eben nicht gerade viel
       transportieren.
       
       Eigentlich habe ich oft genug zu viel geschleppt. Für schwere Einkäufe,
       Getränkekisten – oder um endlich mal meine kaputten Lautsprecher zur
       Reparatur zu bringen kann ich so ein Transportgefährt bestens gebrauchen.
       Ich möchte mir auch so ein Rad bauen.
       
       Ein wenig skeptisch bin ich aber noch. Ob Bau und Montage denn wirklich so
       einfach sind? Ich erkundige mich erst mal beim Fachmann, wie lange das denn
       wohl dauert. Eine unerfahrene Fahrradbauerin, wie ich eine bin, sollte etwa
       sechs Tage einplanen, schätzt Wolfer.
       
       ## Der Profi baut das Rad in zwei Tagen
       
       Er selbst hat es mittlerweile auf zwei Tage gebracht. Um sicher zu gehen,
       dass ich mit meinem Bauversuch nicht auf halber Strecke verende,
       entschließe ich mich, ihn zunächst in seiner Fahrradwerkstatt zu besuchen
       und beim Bau zuzuschauen.
       
       In der Werkstatt liegen die Teile schon parat: etwa 20 Meter
       Aluminium-Rohre, rund 150 Schrauben und Muttern und
       Kunststoff-Unterlegscheiben. Alle für den Rahmen erforderlichen Teile sind
       im Baumarkt erhältlich. Das Augenmerk liegt darauf, erklärt Wolfer, nur gut
       erhältliche Standardteile zu verwenden. Das Aluminium kostet 2,50 Euro pro
       Meter, der Rahmen ohne Räder 160 Euro. Die Fahrradausstattung – Räder,
       Tretlager, Pedale und Fahrradlichter – lässt sich von Alträdern abbauen.
       Mit 350 Euro Materialkosten sind die Räder zum Selberbauen vergleichsweise
       billig.
       
       Die Rohre hat Wolfer bereits mit einer Säge zugeschnitten. Ein fertig
       montiertes Rad steht auf dem Tisch. Für die Montage genügen einfache
       Werkzeuge: Standbohrmaschine, Akkuschrauber, Schraubenschlüssel.
       
       Um den Rahmen zu bauen, werden die Aluminium-Rohre in verschiedenen Längen
       zugeschnitten und Löcher hineingebohrt, damit die Rahmen mit
       Edelstahlschrauben, Unterlegscheiben und Muttern montiert werden können. Um
       zu vermeiden, dass sich in den Rohren Schmutz ansammelt, werden sie später
       mit einer Kappe verschlossen.
       
       ## Eine Verbindung wie bei Panzersperren
       
       Damit die Verbindungen zwischen den Alu-Zuschnitten stabil sind, schraubt
       Wolfer die Rohre so aneinander, dass sie sich gegenseitig stützen. Mit
       einem Akkuschrauber und einem Schraubenschlüssel schraubt er die Alu-Teile
       zu einer Verbindung zusammen. Die ist „selbstversteifend“, sagt Wolfer.
       
       Eine Form ergibt einen „tschechischen Igel“, eine Verbindung, die auch im
       Militär bei Panzersperren gebräuchlich ist. Damit gewinnt der ganze Rahmen
       durch die Knotenpunkte zusätzlich an Stabilität. Das ist wichtig, weil die
       Stangen allein das Rad nicht lange tragen würden. Mit den Aluminium-Rohren
       ist die rechtwinklige Konstruktion relativ leicht und witterungsbeständig.
       
       Bei seinem Prototyp hat Wolfer nicht gerade an den Bauteilen gespart. Er
       fährt auf BMX-Rädern, damit die Räder nicht gleich zusammenklappen, sobald
       zwei Leute vorne auf der Tragefläche sitzen.
       
       Die Konstruktion ist belastbar genug, um rund 150 Kilo zu transportieren
       und die Ladefläche ist in ihrer Funktion wandelbar. Es gibt also nicht nur
       eine einzige mögliche Form. Tauscht man die vier Profile an den Ecken aus,
       hat man eine andere Form, ohne dass man ein neues Rad braucht. Die
       Tragfläche kann so zum Beispiel ein Marktstand sein, eine geschlossene
       Kiste oder auch ein offener Sitzkasten für Kinder.
       
       ## Leicht ist das Fahrrad nicht
       
       Für meine Testfahrt müssen wir das schon fertige Lastenrad von Wolfer aus
       dem Fenster der Werkstatt heben. Ganz leicht ist das nicht, wir tragen es
       zu viert. Ich schiebe das extrabreite Rad auf die Straße. Dann steige ich
       auf und fahre ein Stück. Noch sitze ich etwas steif auf dem Sattel. Vor
       allem an den Wendekreis muss ich mich zunächst gewöhnen.
       
       Um umzudrehen steige ich ab, hebe es an der hinteren Achse an, drehe es und
       bringe es in Position, bevor ich zurückradele. Bei der zweiten Runde werde
       ich schon etwas entspannter. Der Test ist bestanden.
       
       Bauen aber würde ich es lieber nicht allein. Vielleicht finde ich ja noch
       jemanden, der sich meinem Vorhaben anschließt.
       
       28 Jul 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.n55.dk/MANUALS/SPACEFRAMEVEHICLES/spaceframevehicles.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lena Kaiser
   DIR Lena Kaiser
       
       ## TAGS
       
   DIR DIY
       
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