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       # taz.de -- Konjunktur in Deutschland: So gut kann es nicht weitergehen
       
       > Bislang wächst die Wirtschaft hierzulande, aber wie lange noch? Der
       > Geschäftsklimaindex ist auf einen zweijährigen Tiefstand gesunken. Ein
       > Abwärtstrend ist in Sicht.
       
   IMG Bild: Trotz der guten Kauflaune in Deutschland wird die Wirtschaft in Zukunft wieder schrumpfen.
       
       BERLIN taz | Schon seit einiger Zeit scheint klar: So gut wie bislang kann
       es nicht weitergehen mit der Konjunktur. Die Bundesbank erwartet zwar immer
       noch ein Wirtschaftswachstum um 1 Prozent in diesem Jahr – nach 3 Prozent
       2011. Und dank der prima Kauflaune der deutschen Konsumenten sagt das
       Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für das laufende Quartal
       ein leichtes Wachstum um 0,3 Prozent voraus.
       
       Von April bis Juni lag es bei 0,2 Prozent. Dennoch warnte der Leiter des
       Münchner ifo-Instituts am Mittwoch: „Die Eurokrise belastet zunehmend die
       Konjunktur in Deutschland.“ Das sehen auch die Manager deutscher Industrie-
       und Handelsfirmen so: Der Geschäftsklimaindex, der Meldungen der
       Unternehmen über ihre aktuelle und die erwartete wirtschaftliche Lage
       zusammenfasst, ist auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren gesunken.
       
       Von einer Rezession in Deutschland könne zwar nicht die Rede sein, meint
       ifo-Konjunkturexperte Gernot Nerb: „Aber der Abschwung ist greifbar.“ Zuvor
       hatte die regelmäßige Umfrage unter den Einkaufsmanagern deutscher Konzerne
       ergeben, dass diese seit Monaten weniger produzieren. Der sogenannte
       Einkaufsmanagerindex ist daher deutlich unter die Marke von 50 Punkten
       gesunken. Das signalisiert: Die Wirtschaft wird schrumpfen.
       
       Ein Grund für diese Entwicklung ist die starke Bedeutung des Exports für
       die deutsche Wirtschaft, die zu mehr als 50 Prozent vom Außenhandel
       abhängt: Die europäischen Krisenländer fallen zunehmend als Käufer aus.
       Jetzt hoffen die Manager darauf, dass die Konjunktur in China,
       Lateinamerika und den USA anzieht.
       
       ## Auch das Wachstum in China ist bedroht
       
       Dummerweise hat der Internationale Währungsfonds (IWF) eben davor gewarnt,
       die Eurokrise bedrohe inzwischen auch das Wachstum in China. Selbst
       positive Geschäftsberichte großer Unternehmen reichen nicht aus, die
       Stimmung der Konjunkturforscher aufzuhellen: So meldete Siemens am
       Donnerstag für das zweite Quartal dieses Jahres einen Gewinn von 850
       Millionen Euro.
       
       Ein dickes Auftragspolster hatte es dem Elektrokonzern in der Zeit von
       April bis Juni erlaubt, seine Umsätze zu steigern. Aber inzwischen kommen
       fast ein Viertel weniger Aufträge herein. Sogar das Flaggschiff der
       deutschen Wirtschaft, die Autoindustrie, kommt langsam ins Trudeln. Den
       hiesigen Kleinwagenherstellern Opel und Ford läuft die Kundschaft weg, die
       Firmen schreiben tiefrote Zahlen.
       
       Auch die Oberklasse, die bislang von der Krise weitgehend verschont blieb,
       schwächelt mittlerweile. Die Firma Daimler etwa, die ihren Absatz im ersten
       Halbjahr weltweit kräftig steigern konnte, meldet einen ausgesprochen
       anämischen Zuwachs um nur mehr 0,2 Prozent im Juni.
       
       ## Nur Volkswagen ist fein raus
       
       Im zweiten Quartal fiel der – mit 1,5 Milliarden Euro immer noch stattliche
       – Gewinn um 11 Prozent geringer aus als ein Jahr zuvor. Nur Volkswagen
       scheint fein raus zu sein – dank guter Geschäfte auf Märkten außerhalb der
       Eurozone, vor allem Nordamerika und Asien.
       
       Im ersten Halbjahr wuchs der Gewinn um 7 Prozent. Doch glänzend war die
       Bilanz vor allem im ersten Quartal, während sich im zweiten der
       Gewinnanstieg auf 3,4 Prozent verlangsamte. Entsprechend skeptisch
       reagierten Anleger und ließen die VW-Aktie gestern erst mal kräftig
       absacken.
       
       26 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicola Liebert
       
       ## TAGS
       
   DIR WTO
       
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