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       # taz.de -- Kommentar EU-Kommission: Abschaffen statt Haftstrafen
       
       > Euribor und Libor gibt es nur, weil die Zinsmärkte nicht wie Aktienmärkte
       > funktionieren. Statt mit Haftstrafen für Zinssatzmanipulation zu drohen,
       > sollten sie abgeschafft werden.
       
       Ein interessantes Vorhaben: Die EU-Kommission will den Bankern jetzt
       Haftstrafen androhen. Wer den Zinssatz Libor oder Euribor manipuliert, soll
       hinter Gittern landen. Das klingt erst mal martialisch. Doch gerade diese
       juristische Wucht offenbart ein Dilemma: Die EU-Kommission hält es offenbar
       nicht für möglich, die Finanzmärkte so zu reformieren, dass Libor und
       Euribor überflüssig werden. Also will sie nun, als Hilfskonstrukt,
       einheitliche Strafen für Manipulationen einführen.
       
       Libor und Euribor sind künstliche Konstrukte. Sie sind ein Durchschnitt
       jener Zinsen, die die Großbanken für Interbankenkredite zahlen. Von diesem
       Durchschnittswert hängen dann die Zinsen für viele andere Finanzprodukten
       ab – seien es Derivate oder Kundenkredite mit variablem Zinssatz. Es geht
       also um einen Billionenmarkt. Da ist die Versuchung natürlich groß, Euribor
       oder Libor zu manipulieren, um den Profit zu steigern.
       
       Euribor und Libor gibt es nur, weil die Märkte für Zinsen bisher nicht wie
       Aktienmärkte funktionieren. Aktien werden bekanntlich an öffentlichen
       Börsen gehandelt, und im Sekundentakt ist an der Kurstafel abzulesen,
       welche Preise aktuell für welches Papier gezahlt werden. Bei den Zinsen
       hingegen fehlt diese Transparenz. Dort herrschen „Over the
       Counter“-Geschäfte vor. Zwei Vertragsparteien einigen sich. Fertig. Und
       kein Dritter erfährt je, was sie ausgemacht haben.
       
       Die Frage allerdings ist, ob der Markt für Zinsen so intransparent bleiben
       muss. Leider hat die EU-Kommission diese Frage gar nicht erst gestellt,
       sondern sich damit begnügt, einheitliche Strafen für Manipulationen beim
       Libor und Euribor zu fordern. Aber wie sollen diese Manipulationen
       eigentlich auffallen? Wenn die Händler schlau sind, treffen sie ihre
       Absprachen mündlich. Diverse Notenbanker sind daher schon viel weiter als
       die EU-Kommission. In Kanada, Großbritannien und den USA wird überlegt, den
       Libor ganz abzuschaffen.
       
       25 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Herrmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Libor
   DIR Bankenaufsicht
       
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