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       # taz.de -- Bildungspolitik in Baden-Württemberg: 11.600 Lehrer weniger
       
       > Gemeinschaftsschulen, besserer Unterricht: Mit der Bildungspolitik wollte
       > die grün-rote Landesregierung punkten. Doch jetzt streicht sie vor allem
       > Stellen.
       
   IMG Bild: Erstmal raus hier: GrundschülerInnen jubeln über den Ferienbeginn in Baden-Württemberg.
       
       STUTTGART taz | 42 Schulen in Baden-Württemberg erhalten in diesen Tagen
       Post vom Kultusministerium. Es sind die offiziellen Genehmigungsbescheide,
       dass sie nach den Sommerferien als erste Gemeinschaftsschulen des Landes
       lehren dürfen.
       
       Bildungsministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) nutzte die
       Nachricht, um von einer „Begeisterung und Vorfreude“ im ganzen Land zu
       sprechen. Es war auch der einzige Anlass, der sich ihr bot, Positives zu
       verkünden. Vielmehr scheinen große Reformvorhaben der grün-roten
       Landesregierung zu wackeln. Die Kritik an der Bildungspolitik reißt nicht
       ab.
       
       11.600 heißt die Zahl, die zuletzt für einen großen Aufschrei sorgte. So
       viele Lehrerstellen will Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bis
       zum Jahr 2020 streichen. Über 8.000 Stellen davon seien bereits in der
       mittelfristigen Finanzplanung enthalten. Sie sollen in den nächsten Jahren
       wegen rückläufiger Schülerzahlen wegfallen.
       
       Hinzu kämen etwa 3.550 Stellen, die die schwarz-gelbe Vorgängerregierung
       für ihre Qualitätsoffensive Bildung geschaffen, aber nicht durchfinanziert
       habe, so die Regierung.
       
       Im Landeshaushalt klafft eine Lücke von 2,5 Milliarden Euro. 2020 muss
       Grün-Rot die bundesweit geltende Schuldenbremse einhalten und einen
       ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Kretschmann sieht sich daher gezwungen,
       auch im Bildungsbereich die Ausgaben zu kürzen. „Im Schongang bekommt man
       das nicht saniert“, sagte er am Dienstag. Doch damit würde er zugleich
       Prestigeprojekte seiner Regierung gefährden.
       
       Das Wort Bildungsreform hatte Grün-Rot im Koalitionsvertrag noch ganz
       großgeschrieben. Der Verband der Berufsschullehrer spricht inzwischen von
       einer Täuschung, die Bildungsgewerkschaft GEW von Wortbruch.
       
       ## „Bildungspolitische Bankrotterklärung“
       
       „Die Landesregierung hat bessere Bildung für alle versprochen und wird es
       mit der geplanten Streichung nicht einmal schaffen, den Status quo der
       schlechten Bildungspolitik von CDU und FDP zu halten. Das ist eine
       bildungspolitische Bankrotterklärung zu Lasten der Jüngsten im Lande“, sagt
       die GEW-Vorsitzende Doro Moritz. „Wenn wir weiterhin wohnortnahe
       Grundschulen und kleinere Klassen, echte Ganztagsschulen und bessere
       Unterrichtsversorgung sowie Inklusion realisieren und den Lehrermangel
       verhindern wollen, brauchen wir alle freiwerdenden Lehrerstellen in den
       Schulen.“
       
       Doch keiner erklärt, wie das mit der Haushaltspolitik vereinbar sein soll.
       „Die wichtigsten Punkte wollen wir schon weiter umsetzen“, sagte ein
       Sprecher des Kultusministeriums zur taz. Das sei natürlich schwer, „wir
       werden priorisieren müssen“. Zudem spricht Kretschmann davon, Ressourcen
       „zielgenauer“ einzusetzen. So sollen nun mit Hochdruck regionale
       Schulentwicklungspläne erstellt werden.
       
       Sind Schulen zu klein, sollen sie künftig in den Regionen zusammengelegt
       werden, eine Konzentration sei unabdingbar. „Es wird natürlich zu
       Schulschließungen kommen“, sagte Kretschmann. Wer für die unpopulären
       Entscheidungen die Prügel einstecken soll, ist aber noch unklar.
       
       Und es droht schon das nächste Chaos. Bis zur Genehmigung weiterer
       Gemeinschaftsschulen für das übernächste Schuljahr seien die Pläne nicht
       fertig, räumte Kretschmann ein. Doch es soll bereits Gemeinden geben, die
       in unmittelbarer Nähe zu einer anderen Gemeinschaftsschule eine weitere
       planen. Das Urteil der Gewerkschafterin Moritz: „Die derzeitige
       Bildungspolitik ist schlichtweg planlos.“
       
       24 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Michel
       
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