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       # taz.de -- Synthetische Biologie: Künstliche Qualle mit Rattengenom
       
       > Forscher haben aus Silikon und den Herzmuskelzellen einer Ratte eine
       > künstliche Qualle erschaffen. Sie schwimmt wie ihr natürliches Vorbild im
       > Wasser. Das ist etwas gruselig.
       
   IMG Bild: Kaum von einer echten Qualle zu unterscheiden: Das Laborkonstrukt mit den Rattenzellen.
       
       LONDON dapd/taz | Einem Forscherteam aus den USA ist es gelungen eine
       verblüffend realistische Imitation einer Qualle nachzubauen. Die künstlich
       geschaffene Struktur kann selbstständig durch das Wasser schwimmen und
       ähnelt in ihren Bewegungen einer Quallenmeduse. Der Nachbau eines der
       ältesten Tiere der Erde besteht lediglich aus einem quallenförmigen
       Silikonkörper, in den lebende Herzmuskelzellen einer Ratte eingelassen
       sind.
       
       Die Muskelzellen ziehen sich wie im Herzen spontan rhythmisch zusammen und
       katapultieren die Kunstqualle so durch das Wasser. Die Bewegungen dieser
       Qualle ähnelten verblüffend denen von echten Jungquallen, berichten die
       Forscher im Fachmagazin [1][Nature Biotechnology].
       
       Das zeige, dass es grundsätzlich möglich sei, bestimmte
       Konstruktionsprinzipien der Natur mit wenig Aufwand technisch nachzubauen.
       Das bei der Qualle verwendete Prinzip könne man auch für die Herstellung
       künstlicher menschlicher Organe einsetzen. Dabei sei es entscheidend, die
       Kernfunktion der Organe oder Organismen zu erkennen und dann zu schauen,
       wie man sie am besten nachbauen könne.
       
       „Quallen repräsentieren einen einzigartigen Testfall für den künstlichen
       Nachbau von funktionalen Geweben wie dem Herzmuskel“, schreiben Janna
       Nawroth vom California Institute of Technology in Pasadena und ihre
       Kollegen. Denn die Qualle sei relativ einfach gebaut, ihre Muskeln
       funktionierten aber ähnlich wie ein Herz: Sie pumpe mit rhythmischen
       Muskelkontraktionen Wasser von sich und bewege sich so vorwärts.
       
       Um die Qualle nachzubauen, analysierten die Forscher zunächst genau, wo
       deren Muskelzellen liegen und wie sie verknüpft sind. Dann konstruierten
       sie den flachen, runden Körper der Qualle mit ihren acht lappigen
       Anhängseln aus transparentem Silikon. Auf diesen Silikonkörper druckten sie
       ein Proteinmuster als eine Art Schablone.
       
       ## Herzmuskelzellen einer Ratte
       
       Entlang dieser vorgezeichneten Bahnen wuchsen Herzmuskelzellen von Ratten,
       die die Forscher dem Konstrukt einimpften. Nach einigen Tagen entstanden so
       miteinander verbundene Stränge von Muskelzellen, die in alle acht Lappen
       der Kunstqualle hineinreichten.
       
       Für den entscheidenden Schwimmtest setzten die Forscher ihre
       Quallenkonstruktion in ein Becken mit Meerwasser. Als Starthilfe gaben sie
       ihr einen leichten Elektroschock mit einer Frequenz von einem Hertz.
       Ähnlich wie nach einem Impuls eines Herzschrittmachers begannen die
       Herzmuskelzellen daraufhin, sich im Sekundentakt rhythmisch und
       synchronisiert zusammenzuziehen und wieder zu entspannen.
       
       Die Qualle schwamm dadurch durch das Becken und bewegte sich dabei
       [2][verblüffend ähnlich wie ihr natürliches Vorbild.] „Ich war überrascht,
       dass wir mit nur wenigen Komponenten – Silikon und einigen Zellen – einige
       ziemlich komplexe Schwimmbewegungen reproduzieren konnten“, sagt Koautor
       John Dabiri vom California Institute of Technology.
       
       ## Qualle mit Rattengenom
       
       Die künstliche Qualle ist auch ein Nachweis dafür, was „tissue engineering“
       und die Synthetische Biologie heute schon leisten kann. Das schwimmende
       Konstrukt sieht zwar aus wie eine Qualle ist gentisch aber eine Ratte.
       
       Die Konstruktion der Qualle belege, dass einfache Muskelfunktionen auch mit
       künstlichem Gewebe konstruiert werden können. Dabei sei es keineswegs immer
       nötig, tief in die genetische Trickkiste zu greifen. Auch ein festes
       Gerüst, wie bei vielen bisherigen Versuchen, Herzen aus Zellen zu züchten,
       sei nicht nötig.
       
       „Unser Design-Algorithmus kann prinzipiell auf jede Art der synthetischen
       Muskelpumpe angewendet werden“, schreiben Nawroth und ihre Kollegen.
       Verfolge man diesen Ansatz weiter, könnte in Zukunft die Züchtung
       künstlicher Organe vereinfacht und vorangetrieben werden.
       
       24 Jul 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.nature.com/nbt/journal/vaop/ncurrent/full/nbt.2269.html
   DIR [2] http://www.nature.com/nbt/journal/vaop/ncurrent/extref/nbt.2269-S5.mov
       
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