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       # taz.de -- Konflikt im Ostkongo: Die UNO bombt, Rebellen plündern
       
       > Für die Bevölkerung im Gebiet der ostkongolesischen Rebellen M23 wird die
       > Lage immer prekärer. Im Virunga-Nationalpark ist man über UN-Luftangriffe
       > besorgt.
       
   IMG Bild: Wegen der Kämpfe sind 200.000 Menschen geflohen.
       
       GOMA taz | In kleinen Gruppen, mit Koffern und Rucksäcken bepackt,
       marschieren junge Männer die staubige Straße entlang. Sie flüchten aus den
       von der M23-Rebellenbewegung kontrollierten Dörfern die Straße entlang, die
       aus Rutshuru nach Goma führt, Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu im Ostkongo.
       
       „Sonst werden wir gezwungen, für die Rebellen zu kämpfen“, sagt ein junger
       Mann aus Rugari, das von der M23 (Bewegung des 23. März) eingenommen worden
       ist. „Sie umzingeln die Dörfer, gehen von Haus zu Haus. Jeder Junge im
       kampffähigen Alter muss mit ihnen mitgehen.“ Mehr will er nicht sagen,
       nicht einmal seinen Namen.
       
       Rugari, Bukima, Rumangabo, Ngugu – lauter kleine Siedlungen auf den Hügeln
       nahe der kongolesisch-ruandischen Grenze, die nun unter Kontrolle der M23
       stehen, knapp 30 Kilometer von der Millionenstadt Goma entfernt.
       Schwerbewaffnet mit Kalschnikows und Panzerfäusten stiefeln die Rebellen
       durch die matschigen Straßen. In allen Dörfern berichten die Einwohner
       dasselbe wie der junge Mann aus Rugari – leise flüsternd, hinter
       vorgehaltener Hand. Niemand will laut etwas Schlechtes über die neuen
       Herren sagen.
       
       Rumangabo beherbergte einst Ostkongos größte Militärakademie, auf einem
       Hügel oberhalb der Straße rund 30 Kilometer nördlich von Goma. Jetzt hat
       sich dort die M23 einquartiert. Lkws voller Uniformierter fahren die
       schmale Piste hinauf, dahinter folgt ein Lkw mit jungen Männern in T-Shirts
       auf der Laderampe – vermutlich junge Rekruten.
       
       ## Ein Opfer der Luftangriffe
       
       Bis vor wenigen Tagen bombardierten Hubschrauber der UN-Mission im Kongo
       (Monusco) und Kongos Armee (FARDC) regelmäßig die M23-Stellungen rund um
       Rumangabo, Rugari, Bukima und Ngugu. Berichte, dass dabei Zivilisten
       getötet oder verletzt wurden, lassen sich vor Ort nicht bestätigen.
       
       Anwohner berichten von einem Opfer, dessen Arme von einer Bombe zerfetzt
       wurden. Die UNO erklärt, das Opfer sei ein M23-Kämpfer gewesen. Die
       M23-Miliz gibt an, das Opfer sei ein Zivilist. Augenzeugen zu finden, ist
       schwer, denn sobald die Hubschrauber sich nähern, flüchten die Leute.
       Niemand kann hinterher genau sagen, was passiert ist.
       
       „Die Bomben schaden uns nicht“, sagt M23-Sprecher Oberst Vienney Kazarama
       zur taz. Die UN-Geschosse fallen zumeist in den Virunga-Nationionalpark ,
       der wenige Kilometer jenseits der Dörfer beginnt. „Sie schaden den
       Wildtieren“, schimpft Park-Direktor Emmanuel de Merode. „Wir haben keinen
       Zugang zu den Gebiet, wo die Berggorillas leben.“ Wie es um die seltenen
       gefährdeten Tiere bestellt sei, könne er derzeit nicht sagen. Die
       M23-Führung sagt, sie nehme Rücksicht auf die Tiere.
       
       In den vergangenen Tagen sind die Kämpfe abgeflaut. Kongos Armee hat sich
       rund um Goma verschanzt. Weiter draußen kann die M23 ungestört Richtung
       Westen marschieren. Nordwestlich der Distrikthauptstadt Rutshuru klettern
       sie bei Tongo in die Masisi-Berge hinauf. Ihr mutmaßliches Ziel: die Stadt
       Kitchanga, aus welcher viele M23-Kämpfer stammen.
       
       ## Abkommen ohne Einigkeit
       
       Die M23 streitet dies ab, erklärt jedoch, dass sie mit dem am vergangenen
       Wochenende in Addis Abeba unterzeichneten Abkommen zwischen Kongos
       Präsident Joseph Kabila und Ruandas Präsident Paul Kagame nicht
       einverstanden sei. Die beiden Präsidenten vereinbarten, die M23 sowie die
       FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Kongo mit einer
       internationalen Eingreiftruppe bekämpfen zu wollen.
       
       Bisher wurde die M23 von Ruanda unterstützt – nun scheint Ruanda seine
       Position zu verändern. So verändert sich jetzt auch die Politik der M23:
       Sie etabliert sich als Sammelbecken sämtlicher Milizen in den
       Kivu-Provinzen sowie in Ituri.
       
       Sie integriert demobilisierte Ex-FDLR-Kommandeure und schließt Allianzen
       mit lokalen ethnischen Milizen, die im Kongo „Mayi-Mayi“ heißen – zum
       Beispiel Kommandeur Cheka im Urwalddistrikt Walikale im Westen von
       Nord-Kivu, dessen Hauptstadt diese Woche kurz unter seine Kontrolle fiel.
       Die M23-Führung selbst besteht hauptsächlich aus ehemaligen
       Tutsi-Kommandeuren der CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes).
       
       Kitchanga rund 60 Kilometer von Goma entfernt war bis 2009, als die
       CNDP-Rebellion sich in die Armee integrierte, ihre Hauptstadt. Bis heute
       sind die Armeeeinheiten in Kitchanga Ex-CNDP-Truppen. „Die M23 hat unsere
       Stadt schon lange infiltriert“, berichtet Edmond Lwanda von der
       Stadtverwaltung.
       
       21 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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