# taz.de -- Zukünftiger Verfassungsschutz-Chef: Mit lautem Rumms
> Der zukünftige Verfassungschutzchef Hans-Georg Maaßen reagiert auf die
> Kritik, die ihm von vielen Seiten entgegenschlägt: „Es ist mir schnurz,
> ob ich Honorarprofessor bin“.
IMG Bild: „Keiner will in einer Behörde arbeiten, die in der Öffentlichkeit als Deppenbehörde verschrien ist“, Maaßen am Donnerstag in Berlin.
BERLIN taz | Am Donnerstagnachmittag sitzt Hans-Georg Maaßen an einem
runden Konferenztisch im Bundesinnenministerium, weil er reden will. Er
arbeitet hier im Haus in der Abteilung „Öffentliche Sicherheit“ als Leiter
der zweiten Unterabteilung „Terrorismusbekämpfung“. [1][In knapp zwei
Wochen wird er Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz.] Und jetzt schon
ist die Kritik an dem Juristen heftig, als „empathieloser Technokrat“ wurde
er bezeichnet, als Jurist mit „menschlicher Kälte“. Zwar hat ihn sein
Dienstherr, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), in Schutz
genommen. Aber Maaßen hat auch das Bedürfnis, sich selbst zu rechtfertigen.
Für Gewöhnlich wird in solchen Runden nur „im Hintergrund“ mit Journalisten
geredet. Maaßen hat heute das Bedürfnis, offen zu sprechen, obwohl ihm
seine Leute davon abgeraten haben. Maaßen will seine Sicht schildern auf
sein Gutachten aus dem Jahr 2002 im Fall des Guantánamo-Häftling Murat
Kurnaz, das ihm jetzt vorgehalten wird. Und wie er es mit der
[2][Honorarprofessorenwürde hält, die ihm die Freie Universität Berlin
verweigerte.]
In der Gutachtensache, sagt Maaßen, habe er sich nichts vorzuwerfen. Er
habe damals lediglich die rechtliche Regelung des Ausländerrechts
beschrieben. Und die sei eben so strikt: Wer länger als sechs Monate im
Ausland ist, dessen Aufenthaltsgenehmigung erlischt. Es gebe da im Gesetz
keine Ausnahmen oder Härtefallregelungen. „Die Norm“, sagt Maaßen, „ist
überhaupt nicht auslegungsfähig“. Und sie sei auch später so in das
Zuwanderungsgesetz übernommen worden. Und es bedeute doch gar nicht, dass
Kurnaz nicht hätte nach Deutschland einreisen dürfen, wenn es politisch
gewollt gewesen wäre. Man hätte ihm ein Visum ausstellen können oder eine
neue Aufenthaltsgenehmigung. Aber dafür sei das Innenministerium doch gar
nicht zuständig gewesen. Maaßen wird lauter, während er spricht, und als er
fertig ist, pfeffert er das Gesetzbuch, das er in der Hand hatte, mit einem
lauten Rumms zurück auf den Tisch.
## Hobby-Professur
Der 49-Jährige erzählt, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass er
Honorarprofessor werden sollte. Seit 2001 war er Lehrbeauftragter an der
Juristischen Fakultät der Freien Universität. „Für mich war es immer ein
Spaß gewesen“, sagt er, ein Hobby. Seminare abhalten, Abschlussarbeiten
betreuen, mündliche Prüfungen abnehmen.
Im Sommer 2008 habe man ihm gesagt, dass man ihn gerne als Honorarprofessor
vorschlagen würde. Er habe natürlich „ja“ gesagt, warum auch nicht? Im
Januar 2011 habe die Juristische Fakultät den Beschluss gefasst. Ein paar
Wochen später, irgendwann im Frühjahr 2011, habe er dann zum ersten Mal
gehört, dass es Widerstände an seiner Bestellung zum Honorarprofessor gibt.
Eigentlich ist die Zustimmung des Akademischen Rates, in dem Professoren,
Unimitarbeiter und Studenten sitzen, eine Formalie. Im Fall Maaßen vertagt
das Gremium den Punkt immer wieder. Bis es vergangene Woche Maaßen den
Professorentitel mit knapper Mehrheit verweigerte – aus politischen
Gründen. Weil es Kritik gab an der Art und Weise, wie er 2002 als
Referatsleiter Ausländerrecht agierte.
Er bedauere die Entscheidung der FU, sagt Maaßen. Ihm gehe es aber nicht um
den Titel: „Es ist mir schnurz, ob ich Honororarprofessor bin.“ Er brauche
ihn nicht, hätte ihn aber angenommen, aus Verbundenheit mit der
Universität. Maaßen stört, dass es gar nicht um seine wissenschaftliche
Reputation ging. Dass nicht er als Person angegriffen worden sei, „sondern
in meiner Funktion“ – als leitender Beamter des Sicherheitsapparates.
Im Ministerium ist man erbost über die Kritik an Maaßen. Das sei eine
„große Schweinerei gegenüber einem unserer besten Leute“, heißt es in
Sicherheitskreisen. Maaßen sei kein Unmensch, genau das Gegenteil. Er habe
sich etwa dafür eingesetzt, dass zwei Guantánamo-Häftlinge in der
Bundesrepublik aufgenommen wurden, die mit Deutschland gar nichts zu tun
hatten. Obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, es zu verhindern.
Maaßen selbst will trotz aller Kritik sein Amt antreten. „Ich möchte gerne
Verfassungsschutzpräsident werden“, sagt er. Es sei doch eine „große
Herausforderung“ eine Behörde zu leiten, die in der Bevölkerung viel an
Vertrauen verloren habe. Auch im Ausland müsse der Verfassungsschutz wieder
an Ansehen gewinnen. Und vor allem seien auch die Mitarbeiter zu
motivieren. Denn keiner, sagt Maaßen, wolle doch in einer Behörde arbeiten,
die in der Öffentlichkeit als Deppenbehörde verschrien ist.
19 Jul 2012
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Sebastian Erb
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