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       # taz.de -- Facebook-Überwachung ist kein Einzelfall: Digitale Stasi
       
       > Facebook überwacht den Chat seiner User. Angeblich um sexuelle Übergriffe
       > bei Minderjährigen zu verhindern. Ist das gesetzeswidrig? Allein wäre
       > Facebook dabei nicht.
       
   IMG Bild: Digitale Stasi oder wirklich nur Schutz vor sexuellen Übergriffen?
       
       BERLIN taz | Wäre Facebook ein Staat, so stünde es mit 900 Millionen
       Mitgliedern an dritter Stelle der bevölkerungsreichsten Länder der Welt
       nach Indien und China. Allein in Deutschland gibt es über 23. Millionen
       aktive Nutzer (Stand Juli 2012). Aktiv sein heißt, dass sie sich mindestens
       ein mal innerhalb von 30 Tagen in das soziale Netzwerk eingeloggt haben.
       
       Was viele der Nutzer aber nicht wissen, ist dass Facebook neuerdings
       mithilfe eines geheimen Algorithmus gezielt die Daten – speziell die der
       Kommunikation – seiner Nutzer durchsucht, um Straftaten frühstmöglich zu
       verhindern. Besonders Minderjährige sollen dadurch vor sexuellen
       Übergriffen geschützt werden. Dabei greift Facebook auf Chatverläufe von
       bereits verurteilten Pädophilen zurück. Die überwachte private
       Kommunikation wird außerdem auf bestimmte Schlüsselwörter durchsucht. Falls
       diese auftauchen, meldet das Programm den Vorfall einem Mitarbeiter von
       Facebook. Dieser überprüft den Verlauf und alarmiert gegebenenfalls die
       Behörden, so erklärte der Sicherheitschef Joe Sullivan gegenüber der
       Nachrichtenagentur Reuters.
       
       Im März hatte es in Florida einen solchen Fall gegeben. Ein 33-jähriger
       Mann unterhielt sich mit einem 13-jährigen Mädchen zunächst im
       Facebook-Chat über Sex und wollte sich anschließend mit ihr nach der Schule
       treffen. Daraufhin schlug das System Alarm und ein Mitarbeiter rief die
       Polizei. Bereits am nächsten Tag wurde der Mann verhaftet und sein Computer
       von den Behörden beschlagnahmt. „Die Art und Weise und Geschwindigkeit, mit
       der sie uns kontaktierten, gab uns die Möglichkeit, so schnell wie möglich
       zu reagieren“ lobte ein Polizeibeamter die Reaktion von Facebook. Auch in
       Deutschland werden Chats überwacht, teilte Facebook auf Anfrage mit.
       
       ## „Selten falscher Alarm“
       
       „Wir wollten nie eine Umgebung schaffen, in der Angestellte private
       Kommunikation beobachten, deshalb ist es uns sehr wichtig, Technologie zu
       benutzen, die selten falschen Alarm auslöst“, erklärt Sicherheitschef
       Sullivan das Überwachungssystem. Chat-Verläufe werden deswegen zunächst
       maschinell gelesen und erst bei Auffälligkeiten an Menschen weitergeleitet.
       Dabei werden nicht alle Konversationen gleichermaßen verfolgt. Entscheidend
       ist beispielsweise das Alter der Chat-Teilnehmer. Geht Facebook außerdem
       davon aus, dass sich zwei Mitglieder, die sich schreiben, nicht persönlich
       kennen, werden beide besonders überwacht. Dies wäre der Fall, wenn sie noch
       nicht lange befreundet sind und keine gemeinsamen Freunde haben.
       
       Ist das ein Verstoß gegen das Grundgesetz? Blogger Sascha Lobo sagt klar
       ja. Dabei verweist er auf Artikel 10 des Grundgesetzes, das besagt: „Das
       Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.“
       Nur durch ein weiteres Gesetz könnte dieses Grundrecht eingeschränkt
       werden, besagt der darauf folgende Absatz im Grundgesetz.
       
       „Was hätte wohl im Grundgesetz gestanden, wenn es das Internet 1948 schon
       gegeben hätte? Vielleicht ein Chatgeheimnis?“, fragt Lobo. So fordert er
       zum Schluss ein „Telemediengeheimnis“.
       
       ## Gesprächsinhalt und Teilnehmer geheim
       
       Allerdings ist ein solches Telemediengeheimnis eigentlich nicht nötig. Denn
       im Telekommunikationsgeheimnis ist unter §88 das Fernmeldegeheimnis
       verankert, das Dienstanbieter wahren müssen: „Dem Fernmeldegeheimnis
       unterliegen Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände,
       insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang
       beteiligt ist oder war“. Gesprächsinhalt und Teilnehmer müssen also geheim
       bleiben. Facebook ist ein solcher „Dienstanbieter“ von Kommunikation über
       eine Distanz hinweg, denn es ermöglicht das Verfassen, Aussenden und
       Empfangen von Nachrichten.
       
       Inwiefern aber Facebook als US-Konzern für den Gesetzesverstoß büßen muss,
       wird sich hoffentlich bald klären. Dr. Moritz Karg, hamburgischer
       Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, kann dazu momentan
       keine konkrete inhaltliche Aussage treffen: „Selbstverständlich sehen wir
       die Notwendigkeit, jugendliche Nutzerinnen und Nutzer adäquat vor sexuellen
       Übergriffen zu schützen. Ein derartiger Schutz muss jedoch rechtskonform
       realisiert werden. Ob das durch Facebook eingesetzte Verfahren diesen
       Anforderungen gerecht wird, muss nunmehr geprüft werden.“ sagte er
       gegenüber taz.de.
       
       Momentan ist auch der Umfang des Mitlesens von privaten Nachrichten
       zwischen Nutzern auf Facebook nicht bekannt. Und es ist anzuzweifeln, ob
       diese Art der Überwachung nur dem Zweck der Sicherheit dient.
       
       ## Google agiert ähnlich
       
       Facebook wäre aber nicht der einzige Konzern, der private Kommunikation
       seiner Nutzer ausspäht. So wurde Mitte vergangenen Jahres bekannt, dass
       Google die Inhalte aller Mails seiner Nutzer durchsucht, um gezielt Werbung
       zu schalten. Auch ein Verstoß gegen das Telekommunikationsgesetz? Eine
       klare Antwort darauf gibt es von Seiten des Beauftragten für Datenschutz
       und Informationsfreiheit nicht. Man müsse sich grundsätzlich Gedanken
       machen, wie man mit solchen Scanning-Techniken in Zukunft umgehen solle.
       Die sogenannte Anzeigenpersonalisierung ist allerdings ausschaltbar.
       
       Auch beim Internettelefonie-Anbieter Skype ist eine Klausel zu finden, die
       vielen Nutzern wahrscheinlich nicht bekannt ist: „Skype, der örtliche
       Skype-Partner oder der Betreiber bzw. Anbieter, der die Kommunikation
       ermöglicht, stellt personenbezogene Daten, Kommunikationsinhalte oder
       Verkehrsdaten Justiz-, Strafvollzugs- oder Regierungsbehörden zur
       Verfügung, die derartige Informationen rechtmäßig anfordern. Skype wird zur
       Erfüllung dieser Anforderung angemessene Unterstützung und Informationen
       bereitstellen, und Sie stimmen hiermit einer derartigen Offenlegung zu“
       Allerdings ist noch kein Fall einer solchen „Offenlegung“ bekannt.
       
       20 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Leonie Geiger
   DIR Leonie Geiger
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Überwachung
   DIR Schwerpunkt Meta
       
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