URI: 
       # taz.de -- Kommentar Zwangsbehandlung Psychiatrie: Die Rechte der Patienten
       
       > Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass psychisch Kranken besonderer
       > Schutz zusteht. Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, eine Regelung zu
       > finden. Das ist gut so.
       
       Die Kehrtwende des Bundesgerichtshofs bei der Beurteilung der
       Zwangsbehandlung nicht einwilligungsfähiger und unter Betreuung stehender
       Psychiatriepatienten war überfällig. Schon die Unterbringung in einer
       geschlossenen Einrichtung stellt einen tiefen Eingriff in die Grundrechte
       der Betroffenen dar. Die medikamentöse Zwangsbehandlung ist nicht weniger
       einschneidend, geht sie doch oftmals mit einer Veränderung der
       Persönlichkeit her.
       
       Bisher konnten Medikamente auch gegen den Wille des Patienten verordnet
       werden. Lediglich der Betreuer musste einverstanden sein. Es gibt leider
       zahlreiche Berichte darüber, wie diese Allmacht missbraucht wurde. Denn
       einige Ärzte und Betreuer handeln nicht immer im Sinne des Patienten. Und
       sei es nur, dass ein unruhiger Patient „stillgelegt“ werden soll, weil es
       an Pflegekräften fehlt.
       
       Dem hat der BGH jetzt ein Ende gesetzt. Das Gericht stellt klar, dass unter
       Betreuung stehenden „hilflosen“ Psychiatriepatienten bei der Behandlung ein
       besonderer Schutz zusteht. Solange dieser Schutz nicht gewährleistet ist,
       dürfen sie nicht mehr gegen ihren Willen mit Medikamenten behandelt werden.
       
       Das bedeutet jedoch nicht das Ende von Zwangsbehandlungen überhaupt, wie
       einige Ärzte sogleich befürchten. Wenn ein Menschenleben in Gefahr ist,
       dürfen auch weiterhin Medikamente verabreicht werden.
       
       Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, schnell ein Verfahren festzulegen, wie
       künftig bei der Zwangsbehandlung die Patientenrechte gewährleistet werden
       können. Etwa durch die Einschaltung eines Gerichts, bei dem zwingend ein
       Anwalt die Interessen des Patienten vertritt. Die Gesundheitspolitiker
       hätten eine solche Regelung schon vor Jahren auf den Weg bringen müssen.
       Jetzt werden sie unter Zugzwang gesetzt. Das ist auch gut so.
       
       18 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolfgang Löhr
       
       ## TAGS
       
   DIR Zwangsbehandlung
   DIR psychische Gesundheit
   DIR Zwangsbehandlung
   DIR Zwangsbehandlung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Zwangsbehandlung in der Psychiatrie: Unter null anfangen
       
       Seit Jahrzehnten werden Patienten in geschlossenen Psychiatrien auch gegen
       ihren Willen behandelt. Jetzt schafft ein Gesetz die rechtliche Grundlage
       dafür.
       
   DIR Kommentar Zwangsbehandlung: Risiken und Nebenwirkungen
       
       Der Bundestag hat ein Gesetz zur Zwangsbehandlung psychisch Kranker
       gebilligt. Es soll den Trend zu Neuroleptika nicht verstärken.
       
   DIR Psychatrische Zwangsbehandlung: Das allerallerletzte Mittel
       
       Das neue Gesetz zur Zwangsbehandlung soll Patienten und Ärzte besser
       absichern. Maßnahmen sollen jedoch nur in Ausnahmefällen angewandt werden.
       
   DIR Zwangsbehandlung in der Psychiatrie: Traumatisierte Paranoide
       
       Wann dürfen Ärzte gegen den Willen der Patienten Pillen geben? Grüne und
       Linke wollen den Gesetzentwurf zu Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie
       nachbessern.
       
   DIR Zwangseinweisungen in die Psychiatrie: Weniger Freiheit im Westen
       
       In Ostdeutschland ist das Risiko, in die Psychiatrie zwangseingewiesen zu
       werden, deutlich niedriger als in Westdeutschland. Warum, ist unklar.
       
   DIR Urteil zur Fixierung von Heimbewohnern: Keine Fesseln ohne Richter
       
       Heimbewohner dürfen nicht mehr einfach so in Betten oder an Stühlen
       festgeschnallt werden. Das muss ein Richter genehmigen, entschied der
       Bundesgerichtshof.
       
   DIR Wenn Biomarker und Gentests entscheiden: Die Gesundheitsdiktatur
       
       Die Pharmabranche verspricht: Jeder bekommt seine individualisierte
       Medizin. Aber die „Gesundheitsdiktatur“ ist sehr teuer und birgt Gefahren
       für den Patienten.
       
   DIR Urteil zu Zwangsmedikation: „Das wird kompliziert“
       
       Der Präsident der Psychiatriegesellschaft, Peter Falkai, will keine
       Kontrolle der Medikation durch einen Richter. Letztlich schade das den
       Patienten, sagt der Psychiater.
       
   DIR Zwangsbehandlung in der Psychiatrie: Gericht stärkt Patientenrechte
       
       Die Zwangsmedikation psychisch Kranker wird erschwert. Patienten in
       geschlossenen Einrichtungen dürfen vorerst nicht mehr gegen ihren Willen
       mit Medikamenten behandelt werden.