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       # taz.de -- Fifa-Präsident Sepp Blatter: Glücklich in einem anderen Kosmos
       
       > Fifa-Chef Sepp Blatter wird der Korruption beschuldigt. Auch aus den
       > eigenen Reihen kommen Rücktrittsforderungen. Derweil ist der 76-Jährige
       > „ein glücklicher Präsident.“
       
   IMG Bild: „Das ist alles. Vorbei. Finito. Ich möchte mich nicht ständig wiederholen.“ Joseph „Sepp“ Blatter am Dienstag.
       
       BERLIN taz | „Heute sehen Sie einen glücklichen Präsidenten“, sagte
       Fifa-Chef Sepp Blatter. „Glücklich“ war das Wort, das der Schweizer auf der
       mit Spannung erwarteten Pressekonferenz am Dienstagmittag am häufigsten
       gebrauchte.
       
       Die Fifa-Exekutive hatte gerade zuvor ihr Reformpaket verabschiedet. Den
       Ethikcode, den das Gremium soeben gebilligt und den Blatter großformatig
       vor sich liegen hatte, reckte der 76-Jährige vor den Journalisten wie eine
       Trophäe in die Höhe. Mit dem ihm eigenen Pathos verkündete er zudem, dass
       die Fifa ab nun über ein unabhängiges Ethikkomitee aus zwei Kammern
       verfüge. Die Untersuchungskammer, welcher der US-amerikanische Staatsanwalt
       Michael J. Garcia vorsteht, werde moralisch-ethischen Verfehlungen
       nachgehen, das Tribunal, das der Deutsche Joachim Eckert leitet, werde über
       Sanktionen entscheiden.
       
       All das zusammengenommen sei das Instrumentarium zur Korruptionsbekämpfung,
       nach dem man bei der Fifa gesucht habe. Und als ihm am Ende seines Vortrags
       der Pressechef etwas ins Ohr einflüsterte, ergänzte er noch: „In meiner
       Euphorie habe ich völlig vergessen zu erwähnen, dass anders als eigentlich
       vorgesehen, künftig für Korruptionsdelikte keine Verjährung geltend gemacht
       werden kann.“
       
       Wer nicht weiß, wie dieser Mann aus dem Wallis tickt, den mag es
       verwundern, wie unbeeindruckt sich Blatter von der heftigen Kritik zeigt,
       die in den letzten Tagen auf ihn einprasselte. Nachdem das Schweizer
       Bundesgericht vergangene Woche festgestellt hatte, dass Blatter von den
       Schmiergeldzahlungen der Vermarktungsagentur ISL, unter anderem an seinen
       Vorgänger Joao Havelange und den einstigen brasilianischen
       Verbandspräsidenten Ricardo Teixeira, gewusst haben musste, wurde er
       insbesondere von deutschen Funktionären hart kritisiert.
       
       ## Inszenierung als Korruptionsbekämpfer
       
       Der Chef der Deutschen Fußball-Liga, Reinhard Rauball, forderte ihn zum
       Rücktritt auf. Aber der als Korruptionsbegünstiger Bescholtene inszenierte
       sich am Dienstag fast schon erwartungsgemäß als Korruptionsbekämpfer. Auf
       die Frage, ob er über Rauballs Forderung nachgedacht habe, sagte er kühl:
       „Wenn ich das jedes Mal machen würde, wenn ich dazu aufgefordert werde,
       dann könnte ich mein Amt gar nicht mehr ausüben.“ Der Mann, der seit 1998
       den Weltfußball regiert, hat ein dickes Fell. „Je mehr man auf mich
       einschlägt, desto stärker werde ich“, hat der 76-Jährige einmal gesagt. Und
       vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb er trotz seines hohen Alters mit
       einer weiteren Amtsperiode als Fifa-Präsident liebäugelt. Die zahlreichen
       Anfeindungen von außen dienen Sepp Blatter offenbar nur zur Motivation.
       
       Es ist das trotzige Muskelspiel eines Mannes, der sich auf der Seite des
       Guten wähnt. Gern referiert Blatter über die immense globale Bedeutung des
       Fußballs und schwärmt von den sozialen Entwicklungsprogrammen der Fifa.
       Dass er überall wie ein Staatsoberhaupt empfangen wird, ist für ihn zu
       einer Selbstverständlichkeit geworden. Insgeheim, vermutet so mancher, der
       ihn näher kennt, hofft er immer noch auf den Friedensnobelpreis.
       
       Die Machttechniken von Blatter sind so beeindruckend wie vielfältig.
       Weitsichtig und berechnend ist er wie kaum ein anderer. Dass er das
       Korruptionsgeflecht seiner engsten Führungsmitarbeiter duldete, ohne sich
       nachweisbar selbst die Hände schmutzig zu machen, verschaffte ihm ein
       effizientes Druckmittel, um nach seinem Gusto kalt durchzuregieren.
       
       ## Pakt mit dem Teufel
       
       Blatter kann aber auch anders. Er ist ein gewiefter Charmeur. Im Sommer
       letzten Jahres auf der Abschlusspressekonferenz der
       Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Deutschland strahlte er über das ganze
       Gesicht, als er seine Freude zum Ausdruck brachte, dass Theo Zwanziger ihm
       helfen wolle, für mehr Transparenz bei der Fifa zu sorgen. Zwanziger gilt
       als Mann von hohen moralischen Maßstäben, so einen holt Blatter gerne ins
       Boot. Und Zwanziger, damals DFB-Präsident, blickte dabei derart
       verdrießlich drein, als hätte er gerade einen unumkehrbaren Pakt mit dem
       Teufel geschlossen. Von Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzenden
       des FC Bayern München, ist Theo Zwanziger für diese Naivität sehr
       gescholten worden.
       
       Kritik kommt bei Blatter einfach nicht an. Der Schweizer wirkt geradezu
       schizophren. Am Dienstag erklärte er, es spiele keine Rolle, was man ihm
       von außen vorwerfe. Er werde nur zurücktreten, wenn der Fifa-Kongress ihn
       dazu auffordere. Für ihn zählt nur die Wirklichkeit der Institution, die er
       selbst geformt hat. Mit Rauball, berichtete Blatter kürzlich, habe er über
       dessen Rücktrittsforderung gesprochen. „Ich sagte ihm, das sei nicht so
       einfach, wie er sich das vorstelle. Schließlich bin ich vom Kongress
       gewählt.“ Das klingt nach einer sehr eigenwillig konstruierten Realität.
       Sepp Blatter lebt offensichtlich in einer Parallelgesellschaft.
       
       Und es sieht nicht danach aus, als ob ihn irgendwer aus diesem Kosmos
       herausholen wird. Aber ganz gefeit ist er vor den Angriffen aus der anderen
       Welt nicht. Irgendwann, als ihm die kritischen Fragen am Dienstag in Zürich
       zu viel wurden, erklärte Sepp Blatter sichtlich genervt und recht
       energisch: „Das ist alles. Vorbei. Finito. Ich möchte mich nicht ständig
       wiederholen.“ Alle weiteren Fragen werden die neu geschaffenen Kammern
       klären.
       
       17 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
   DIR Fußball-WM 2014
       
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