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       # taz.de -- Streit um Thüringens Verfassungsschutz: Weg mit der Landesbehörde?
       
       > Thüringens CDU-Ministerpräsidentin will, dass sich die Geheimdienste
       > mehrerer Länder zusammentun. Damit stärkt sie ausgerechnet der FDP den
       > Rücken.
       
   IMG Bild: Was soll aus dem Geheimdienst werden? Thüringens Ministerpräsidentin Lieberknecht und Innenminister Geibert (beide CDU).
       
       DRESDEN taz | Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU)
       prescht vor. Schon vor einer Woche hatte sie im ZDF gefordert, die
       Verfassungsschutzbehörden „von Grund auf neu aufzubauen“. Jetzt forderte
       sie in einem Zeitungsinterview, die Verfassungsschutzämter kleinerer
       Bundesländer zusammenzulegen. Ihr eigenes Land nahm sie davon nicht aus:
       Beispielhaft regte sie einen gemeinsamen Verfassungsschutz für die drei
       mitteldeutschen Länder an. Auch eine Fusion der Landesämter von
       Rheinland-Pfalz und dem Saarland sei denkbar.
       
       Mit ihrem Vorstoß stärkt Lieberknecht Bundesjustizministerin Sabine
       Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Rücken – die spricht sich schon lange
       für für eine Reduzierung der Verfassungsschutzbehörden und eine Bündelung
       ihrer Aufgaben aus. Die Thüringer Ministerpräsidentin geht auch auf Distanz
       zu Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU, der solche Pläne
       rigoros ablehnt. Der Verfassungsschutz dürfe „nicht geschwächt werden,
       sondern er muss effektiver werden“, findet der Bundesinnenminister.
       
       In Sachsen reagierte das Innenministerium zurückhaltend auf den Vorschlag
       aus Thüringen. Wenn gewaltbereite Rechtsextremisten länderübergreifend
       agierten, müsse auch die zentrale Koordinierungsfunktion des Bundesamtes
       gestärkt werden, sagte Innenminister Markus Ulbig (CDU). Vor einer
       Zusammenlegung von Landesämtern wären aber zahlreiche Fragen zu klären,
       darunter die einer gemeinsamen parlamentarischen Kontrolle. Sein Amts- und
       Parteikollege Holger Stahlknecht in Sachsen-Anhalt zeigte sich für Fusionen
       offen. Er findet aber, derzeit hätten die Ämter „zunächst noch Vergangenes
       aufzuarbeiten“.
       
       Lieberknecht sprach sich auch für eine stärkere demokratische Kontrolle der
       Verfassungsschutzämter, eine engere Führung durch das zuständige
       Innenministerium und eine Direktwahl der Verfassungsschutzpräsidenten durch
       die Parlamente. Damit trägt sie bereits dem Entwurf zu einem neuen
       Verfassungsschutzgesetz Rechnung, auf den sich die Thüringer
       Regierungspartner CDU und SPD kurz vor der Sommerpause geeinigt haben.
       
       ## Ein Skandal nach dem anderen
       
       Die Koalition war jüngst durch neue Aktenfunde bei Polizei und Staatsschutz
       belastet worden. In den etwa 20 bislang unbekannten Ordnern geht es um den
       in den neunziger Jahren vom Verfassungsschutz unterwanderten rechten
       „Thüringer Heimatschutz“. SPD-Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD)
       zeigte sich „entsetzt“, und seine Parteikollegin Dorothea Marx, die dem
       NSU-Untersuchungsausschuss vorsitzt, machte das CDU-geführte
       Innenministerium für die späte Entdeckung verantwortlich.
       
       In Sachsen war unterdessen am Wochenende bekannt geworden, dass im
       Landesamt für Verfassungsschutz noch nach Aufdeckung der NSU-Mordserie im
       vergangenen November Akten geschreddert wurden. Sie sollen aber keinen
       Bezug zum Terrortrio gehabt haben, heißt es dazu aus der Behörde. Eine
       angebliche gesetzliche Löschungsfrist, auf die sich die Beamten beriefen,
       besteht nach Auskunft des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar jedoch
       nicht.
       
       Die sächsischen Jungliberalen gingen deshalb noch einen Schritt weiter als
       Lieberknecht: sie forderten zu Wochenbeginn, den Geheimdienst in ihrem Land
       insgesamt aufzulösen und an das Bundesamt anzugliedern.
       
       17 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Bartsch
       
       ## TAGS
       
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       Unterdessen geht der Bundestagsausschuss beim Schredder-Skandal von
       „gezielten Vertuschungen“ aus.
       
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       loswerden möchte.
       
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