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       # taz.de -- Niedersachsens Muslime beenden Dialog: „Diese Liste fördert ein Klima der Angst“
       
       > Die „Extremismus“-Checkliste zieht ihre Kreise: Niedersachsens Muslime
       > lehnen weitere Gespräche mit Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ab.
       
   IMG Bild: Gewichtsverlust, Lust am Sport und das Bestehen auf Privatsphäre reichen laut Innenminister Uwe Schünemann als Indiz, dass ein Muslim zum Terrorismus neigt.
       
       HAMBURG taz | Am Montag wollte sich Niedersachsens Innenminister Uwe
       Schünemann (CDU) mit muslimischen Verbänden aus Niedersachsen und Bremen
       austauschen. Doch das Treffen fiel aus. „Sowohl die Ditib Bremen als auch
       die Schura Niedersachsen haben den Termin für Montag abgesagt und lehnen es
       derzeit ab, weitere Gespräche mit dem Innenministerium zu führen“, erklärte
       Emine Oguz, die Juristin der muslimischen Landesverbände dazu.
       
       Die muslimischen Verbände ärgern sich über Uwe Schünemanns
       Extremismus-„Checkliste“. Diese „Checkliste“ ist Teil einer sogenannten
       Radikalisierungsbroschüre, die Schünemann Mitte Juni im Rahmen seines
       „Antiradikalisierungskonzepts“ vorgestellt hatte. Sie enthält Fragen, von
       denen der Innenminister glaubt, dass sie Hinweise darauf geben können, ob
       ein Muslim zum Terrorismus neige. Glaubt man der Broschüre, dann reichen
       schon Gewichtsverlust, die Lust am Sport und das Beharren auf seiner
       Privatsphäre aus, um sich als Muslim verdächtig zu machen.
       
       Verteilt wurde das Heftchen mit dem Titel: „Radikalisierungsprozesse im
       Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus“ an Firmen, Schulen,
       Jugendämter und Ausländerbehörden. Schünemann sieht sein Bundesland damit
       als stolzen Vorreiter im Kampf gegen muslimischen Extremismus. Seine
       Kritiker werfen ihm vor, einen Generalverdacht gegen Muslime zu schüren.
       Während die Verbände fordern, das Antiradikalisierungskonzept in seiner
       ursprünglichen Form an den Nagel zu hängen, will Schünemann nur ein paar
       Einzelpunkte anpassen.
       
       Schon im Juni traf man sich, um die Wogen zu glätten. „Diese Liste fördert
       ein Klima der Angst“, klagte der Vorsitzende des niedersächsischen
       Moscheeverbands, Avni Altiner, schon damals. Doch das Innenministerium hält
       weiter daran fest. Das Treffen am Montag sollte die Basis für weitere
       Gespräche legen. Doch die muslimischen Verbände sahen nun keinen Sinn mehr
       darin. Sie fühlen sich durch Schünemanns Hartleibigkeit einmal mehr vor den
       Kopf gestoßen.
       
       ## Die logische Konsequenz
       
       Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im
       niedersächsischen Landtag, fordert Schünemann dazu auf, sich bei den
       muslimischen Dachverbänden zu entschuldigen. „Dass der Minister von Ditib
       und Schura einen Korb bekommen hat, ist die logische Konsequenz daraus,
       dass er die Muslime in der Vergangenheit mit zahlreichen Vorstößen
       verprellt hat“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag in Hannover.
       
       Bereits im Januar 2010 zog der Minister Kritik auf sich, weil er an
       niedersächsischen Moscheen verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen
       ließ. „Wer mit Moscheekontrollen die Religionsfreiheit beschneidet und
       Muslime denunziert, hat seine eigene Dialogfähigkeit ruiniert und kann von
       den Betroffenen kaum noch Gesprächsbereitschaft erwarten“, findet Polat.
       Die Extremismus-Checkliste des Ministers bilde nun den „absoluten
       Tiefpunkt“ in der Zusammenarbeit zwischen Muslimen und Landesregierung.
       Darüber könne auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass Niedersachsen
       mit Aygül Özkan als erstes Bundesland eine muslimische Ministerin berufen
       habe.
       
       17 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Yasmina Sayhi
       
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