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       # taz.de -- Sparpläne in Spanien: Kahlschlag im Dienste der Banken
       
       > Spaniens Regierungschef Rajoy will 60 Milliarden Euro sparen und 5
       > Milliarden durch höhere Steuern einnehmen. Dafür erhält Spanien einen
       > 100-Milliarden-Euro-Kredit.
       
   IMG Bild: Ob sein Plan funktioniert? Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy.
       
       MADRID taz | Es war wie ein letzter Aufschrei, bevor die spanische
       Regierung endgültig die Axt an den Sozialstaat legte: Zehntausende von
       Menschen säumten in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch die Straßen
       Madrids, um dem „Schwarzen Marsch" einen würdigen Empfang zu bescheren. 500
       Bergleute, gekleidet in ihre Arbeitskluft, mit Helm und Stirnlampe, hatten
       sich zu Fuß aus den Kohlebergbauregionen Nordspaniens in die Hauptstadt
       aufgemacht.
       
       Die Kumpel sind längst zum Symbol des Protests gegen Sozialkürzungen im
       Dienste der Haushaltskonsolidierung geworden. Weil die Regierung die
       Kohlesubvention streicht und alternative Entwicklungspläne fehlen, werden
       ganze Landkreise jeder Zukunft beraubt.
       
       Den konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy beeindruckten die
       Proteste freilich nicht. Nur wenige Stunden nach der Ankunft der Bergleute
       trat er vors Parlament, um sein Kürzungspaket anzukündigen: 60 Milliarden
       Euro will er in den nächsten zwei Jahren einsparen. Außerdem steigt die
       Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent. Dies soll der Staatskasse 5
       Milliarden Euro zusätzlich einbringen.
       
       Die Maßnahmen sind ein Zugeständnis der spanischen Regierung an Brüssel. Im
       Gegenzug erwartet sie einen 100-Milliarden-Euro-Kredit für die Rettung der
       Banken. Zudem hat sie ein Jahr länger Zeit, das Haushaltsdefizit von 8,5
       Prozent auf weniger als 3 Prozent zu drücken. Die Frist läuft jetzt bis
       2014 statt bis 2013.
       
       Der Preis ist hoch. Den Beamten, deren Gehalt bereits um durchschnittlich 5
       Prozent geschrumpft ist, wird für die nächsten drei Jahre auch das
       Weihnachtsgeld gestrichen. Werden sie krank, erhalten sie in den ersten 20
       Tagen geringere Lohnfortzahlungen. Die Arbeitslosenunterstützung sinkt von
       bislang 60 Prozent auf 50 Prozent. Außerdem soll das Pflegegeld
       "rationalisiert" werden.
       
       ## Parteien verlieren Subventionen
       
       Auch an den Institutionen der Demokratie selbst setzt Rajoy die Schere an.
       Parteien und Gewerkschaften verlieren 20 Prozent ihrer Subventionen. Die
       Zahl der Gemeinderäte schrumpft um 30 Prozent, Kommunen sollen
       zusammengelegt werden. Konservative Regionalregierungen planen zudem, die
       Regionalparlamente zu verkleinern. Darunter leiden besonders die kleinen
       Parteien, die dank eines völlig unproportionalen Wahlgesetzes ohnehin zu
       kämpfen haben.
       
       Der Kauf einer Erstwohnung kann nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden.
       Auch die Tabaksteuern ziehen an. All das sind nur erste Schritte zum
       völligen Umbau des Steuersystems: Die Einkommen sollen niedriger besteuert
       werden, die indirekten Abgaben hingegen steigen.
       
       Der Spitzensteuersatz wird nicht angehoben. Rajoy führte auch keine
       Sonderabgaben für große Vermögen ein. Stattdessen erließ er eine
       Steueramnestie für all jene, die in vergangenen Jahren Millionen am Fiskus
       vorbei erwirtschaftet haben.
       
       Das neue 65-Milliarden-Paket ist härter als alles, was den Spaniern bisher
       zugemutet wurde. 2011 kürzte die Regierung des Sozialisten Rodríguez
       Zapatero 15 Milliarden Euro im öffentlichen Dienst sowie im Sozialhaushalt.
       Rajoy strich nach seiner Amtsübernahme im Dezember weitere 27 Milliarden.
       Die Regionalregierungen sparen überdies 18 Milliarden Euro für Bildung und
       Gesundheit ein.
       
       „Fragen Sie mich nicht, ob mir das gefällt", erklärte Rajoy unter Buhrufen
       und Pfiffen der Oppositionsabgeordneten. Draußen führten die Bergleute
       erneut einen Marsch Zehntausender durch die Innenstadt an. Sie zogen mit
       der Bitte um Gespräche vor das Industrieministerium und wurden abgewiesen.
       
       11 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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