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       # taz.de -- Norwegens aggressive Ölpolitik: „Das ganze Land in Gebrauch nehmen“
       
       > Fisch-Kinderstube Barentssee? Das war mal. Oslo gibt die Ölförderung bis
       > zur Bäreninsel frei – und damit bis an die arktische Packeisgrenze.
       
   IMG Bild: Stehen bald Bohrinseln in Norwegens arktischen Gewässern? In einer Konzessionsrunde können sich Ölkonzerne in der Barentssee um Lizenzen bemühen.
       
       STOCKHOLM taz | Als Norwegens Öl- und Energieminister Ola Borten Moe die
       neuen Ölförderpläne vorstellte, ließ er keinen Zweifel daran, dass es keine
       Grenzen nach Norden – also in die Arktis – mehr gibt. Man wolle sich von
       niemanden sagen lassen, wie man es mit der Förderung von Öl und Gas in den
       arktischen Gewässern zu halten habe: „Diese Gebiete sind genauso norwegisch
       wie unsere Fjorde.“
       
       Im Rahmen der neuen Konzessionsrunde können sich Ölkonzerne in der
       Barentssee um 72 Bohrlizenzen bemühen. Das Fördergebiet reicht bis zum 75.
       Breitengrad, auf dem die zu Norwegen gehörende Bäreninsel liegt. Das ist
       die Packeisgrenze.
       
       Und es ist erst der Anfang. „Zwar nicht morgen“, aber binnen der nächsten
       25 Jahre, so Moe, werde Norwegen das Meer dann bis zum 84. Breitengrad für
       die Ölwirtschaft öffnen. Derzeit wird diese Region nördlich der Inselgruppe
       Spitzbergen seismisch erkundet. Von da aus wären es nur noch 700 Kilometer
       zum Nordpol.
       
       Bei diesen Plänen ist das weitere klimabedingte schnelle Abschmelzen der
       arktischen Eisdecke fest eingeplant. Nimmt man die aktuellen Berechnungen
       des National Snow and Ice Data Center im US-Bundesstaat Colorado, das für
       diesen Sommer einen neuen Eisminusrekord erwartet, dürfte die norwegische
       Rechnung aufgehen.
       
       ## „Signifikante Risiken“
       
       „Schlecht für das Klima, schlecht für die Arktis und schlecht für alle
       Bemühungen, zu globalen Umweltschutzübereinkommen zu gelangen“, sagt
       Fredric Hauge von der Umweltorganisation Bellona. Er wundere sich, wie
       Norwegen, das sich so gern als Umweltvorbild profiliert, die Augen so
       verantwortungslos vor den damit verbundenen „signifikanten Risiken“
       verschließen könne.
       
       Die Umweltschützer stehen mit der Kritik nicht allein. Die Meeresforscher
       vom staatlichen norwegischen Havforskningsinstituttet warnen schon vor den
       Konsequenzen eines normalen Bohrbetriebs in der Barentssee, bei dem das
       Wasser durch Chemikalien verschmutzt wird und ein hohes Unfallrisiko
       besteht.
       
       Darüber hinaus werfen sie der Regierung in Oslo vor, dass sie das
       Vorsichtigkeitsprinzip verletze. Man wisse viel zu wenig über die „zu
       erwartenden Effekte der Ölaktivitäten“ und den „umfassenden und, oder
       langwierigen Konsequenzen für das Ökosystem“.
       
       ## Ausbeutung arktischer Gewässer
       
       Die Barentssee gilt immer noch als Kinderstube für viele Fischpopulationen
       und hat einen der weltweit größten Bestände an Seevögeln. Die rot-rot-grüne
       norwegische Regierung beeindruckt die Warnung nicht.
       
       „Das ganze Land in Gebrauch nehmen“, so nennen der Energieminister und
       seine Zentrumspartei, die sich als grün versteht, ihre Ausbeutungspläne für
       die arktischen Gewässer. Eine parlamen-tarische Opposition gegen die
       offensive Ölpolitik suche man vergebens, beklagt Sigurd Enge von Bellona.
       
       9 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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