URI: 
       # taz.de -- Kommentar Fukushima: Wo Menschen sind, versagen sie
       
       > Der Bericht des japanischen Parlaments ist das Psychogramm eines von
       > Selbstzweifeln zerfressenen Depressiven. Dabei gibt es eine Konstante in
       > der Geschichte: Technik versagt.
       
       Die Atomkatastrophe von Fukushima war menschliches Versagen. „Made in
       Japan“, begründet in der kritiklosen Ergebenheit der Japaner gegenüber den
       Sicherheitsversprechen ihrer Eliten und deren enormen finanziellen Mitteln.
       
       So ungefähr drückt es das japanische Parlament in einem
       Untersuchungsbericht zu dem Atomdesaster aus, der sich wie das Psychogramm
       eines von Selbstzweifeln zerfressenen Depressiven liest.
       
       Wenn nun Fukushima nicht nur wegen der an deutschen Flüssen ziemlich
       vernachlässigbaren Tsunamigefahr ein japanisches Spezifikum war, warum dann
       das ganze Theater mit Stresstest und Atomausstieg? Vermutlich wird der
       Bericht genau diese Argumentation nähren. Grundfalsch ist sie trotzdem.
       
       Das liegt zunächst an dem Bericht selbst. Explizit heißt es darin, dass die
       zerstörten Reaktoren selbst nicht untersucht worden sind. Momentan gilt
       nur: Offenbar konnten die uralten Reaktoren einem absolut vorhersehbaren
       Naturereignis nicht standhalten. Der Bericht weist darauf hin, dass
       möglicherweise bereits das Erdbeben allein ausreichte, um den Kühlkreislauf
       des ersten Reaktors zu zerstören. Der folgende Tsunami war nicht mehr
       nötig.
       
       Das würde bedeuten, dass der alte Reaktor bereits wegen eines singulären
       Ereignisses wie ein Erdbeben in die Knie ging. Das klingt nicht gut. In
       Europa stehen genug alte Schrottmeiler herum, von denen man ebenfalls
       explizit weiß, dass sie selbst gegen so etwas Absehbares wie Erdbeben nur
       unzureichend geschützt sind. Wylfa in Großbritannien ist so ein Ding oder
       Fessenheim in Frankreich, direkt vor den Toren Freiburgs.
       
       Vom Risiko von Flugzeugabstürzen für Dutzende andere Meiler ganz zu
       schweigen. Das extrem Beunruhigende ist: Wie in Japan, so gibt es auch bei
       europäischen Reaktoren bekannte Mängel. Ob man sie nun aus japanischer
       Hörigkeit gegenüber der Obrigkeit, blindem Vertrauen in deutsche Ingenieure
       oder französischer Atomstaatsräson übersieht, ist egal. Jede Gesellschaft
       bringt ihre eigenen spezifischen Mechanismen hervor, Unfälle zu
       verursachen.
       
       Daran ändert auch neue Technik nichts. Jede Technologie impliziert
       „menschliches Versagen“, wenn sie nicht funktioniert, schließlich wird sie
       von Menschen konstruiert. Was soll denn sonst versagen? Die Naturgesetze?
       Wenn es eine Konstante in der Geschichte gibt, dann die: Technik versagt.
       Im Fall der Atomkraft mit fatalen Folgen.
       
       5 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Forscher berechnen Fukushima-Folgen: Im Extremfall 1.300 mehr Krebstote
       
       Wissenschaftler der Stanford University haben in einer Studie die
       weltweiten Auswirkungen der Fukushima-Katastrophe berechnet. Diese sind
       außerhalb Japans gering, aber vorhanden.
       
   DIR 170.000 Atom-Gegner protestieren in Japan: Ein sauberes Land hinterlassen
       
       In der japanischen Hauptstadt demonstrieren 170.000 Menschen gegen die
       Kernkraft und den politischen Umgang damit. Vor einer Woche wurde erstmals
       wieder Atomstrom ins Netz eingespeist.
       
   DIR Japanischer Journalist über Fukushima: „Die Verbrechen sind so offensichtlich“
       
       TV-Journalist Shigenori Kanehira über Machtkämpfe in Japans Politik, eine
       neue Art von Zivilgesellschaft und warum er glaubt, dass die Industrie zu
       glimpflich davonkommt.
       
   DIR Untersuchungsbericht zu Fukushima: Eine Katastrophe „made in Japan“
       
       Ein Untersuchungsbericht enthüllt das Totalversagen von Regierung und
       Atomindustrie. Und macht die Kungelei der beiden für den Unfall in
       Fuskushima verantwortlich.
       
   DIR Anti-AKW-Proteste in Japan: Zustände wie in Gorleben
       
       Erstmals seit Fukushima ist am Sonntag wieder ein Atomreaktor in Japan ans
       Netz gegangen. Tausende Atomkraftgegner gegen die Inbetriebnahme.
       
   DIR Japan übernimmt Tepco: VEB Fukushima daiichi
       
       Tepco, Eigentümer der Katastrophenreaktoren von Fukushima, wird de facto
       verstaatlicht. Dies geschieht über eine Kapitalerhöhung, die Japans
       Steuerzahler komplett finanzieren.
       
   DIR Umweltbewusstsein im Industriestaat Japan: Stromsparen als nationale Passion
       
       Klimaziele verpasst, mehr Treibhausgase in die Luft gepustet: Japans Bürger
       und Firmen haben die Energierevolution trotzdem schon begonnen.
       
   DIR Energiewende weltweit: Wind und Sonne vor Kohle und Gas
       
       Eine Viertelbillion Dollar wurde 2011 weltweit in erneuerbare Energien
       investiert. Trotzdem darben viele Firmen – weil immer mehr auf den Zug
       aufspringen.