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       # taz.de -- Homosexualität am Arbeitsplatz: „Es geht darum, nicht lügen zu müssen“
       
       > Unternehmen, denen Homosexuelle willkommen sind, arbeiten produktiver,
       > glaubt Unternehmensberater Bernd Schachtsiek. Der Mittelstand habe dies
       > noch nicht erkannt.
       
   IMG Bild: Schweigen oder gar lügen zu müssen, belastet die Beschäftigten und ist schlecht für's Unternehmen.
       
       taz: Herr Schachtsiek, sind Sie eigentlich ein Homolobbyist? 
       
       Bernd Schachtsiek: Ja natürlich. Man muss für die Rechte der Homosexuellen
       am Arbeitsplatz kämpfen.
       
       Aber die Gesellschaft ist doch tolerant gegen Schwulen und Lesben. Warum
       braucht es da einen Verein wie den Völklinger Kreis? 
       
       Politisch ist die Gleichstellung vorangeschritten, ja. Und auch
       gesellschaftlich. In den Unternehmen aber sieht das völlig anders aus.
       Während bei großen Unternehmen Diversity bereits großgeschrieben wird und
       auch die sexuelle Identität gefördert und unterstützt wird, spielt das
       Thema im Mittelstand keine Rolle. Da wollen wir aufklären und
       Problembewusstsein schaffen.
       
       Warum spielt das Thema im Mittelstand bisher kaum eine Rolle? 
       
       Da wird die Gruppe der Homosexuellen nicht so wahrgenommen. Zudem besteht
       oft auch eine Scheu, weil sexuelle Identität immer auch eine Verbindung zur
       Sexualität hat. Das ist natürlich Quatsch. Es geht darum, dass die
       Mitarbeiter am Montagmorgen keine Legenden vom Wochenende erfinden müssen,
       weil sie Angst vor Benachteiligung haben. Dass sie nicht lügen müssen, wenn
       sie mit ihrem gleichgeschlechtlichen Partner im Urlaub waren. Die Annahme,
       das sei Privatsache, ist falsch. Das Privatleben spielt auch am
       Arbeitsplatz, bei den sozialen Kontakten, immer eine Rolle.
       
       „Diversity Management“ hört sich oft wie ein bloßes Schlagwort an. Was kann
       man sich darunter im Bereich der sexuellen Identität vorstellen? 
       
       Es geht darum, dass die Unternehmen von oben nach unten signalisieren, dass
       sie für die Vielfalt im Hause offen sind. Dass homosexuelle Mitarbeiter
       willkommen sind und entsprechend behandelt werden. Dass Homophobie am
       Arbeitsplatz verhindert wird. Und dass man den Zusammenhalt der
       Homosexuellen im Betrieb fördert, ihre Netzwerke unterstützt, Weiterbildung
       anbietet.
       
       Können Sie Schwulen und Lesben raten, sich am Arbeitsplatz zu outen? 
       
       Das hängt stark vom Betriebsklima ab. Grundsätzlich ist die Umgebung oft
       viel aufgeschlossener, als der Einzelne glaubt. Die Angst ist meist größer
       als das, was wirklich passiert.
       
       Überwiegen die positiven oder die negativen Folgen nach einem Outing am
       Arbeitsplatz? 
       
       Die positiven. Wichtig ist, dass man sich selbst sicher fühlt in seiner
       Sexualität und sich nicht in eine Opferrolle begibt. Man muss selbstbewusst
       sein. Denn es gibt natürlich Anfeindungen und Anspielungen. Da kann man
       auch drüber lächeln oder schlagfertig reagieren. Und dann ist irgendwann
       auch Ruhe.
       
       Welche Vorteile haben Unternehmen, wenn sie ein homofreundliches Umfeld
       schaffen? 
       
       Es geht immer Energie verloren, wenn man sich nicht outet. Weil man
       versucht, sich zu tarnen. Zudem ist die Identifikation mit dem Unternehmen
       stärker, wenn man sein kann, wie man will. Studien zeigen, dass divers
       zusammengestellte Teams viel kreativer und produktiver sind. Je
       homofreundlicher ein Unternehmen, desto erfolgreicher ist es.
       
       5 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Paul Wrusch
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
   DIR Schwerpunkt Fußball-EM 2024
       
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