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       # taz.de -- Gras selbstanbauen liegt im Trend: Hasch mich!
       
       > In Berlin hat sich die Anzahl kleiner Cannabisplantagen letztes Jahr
       > verdoppelt. Die Gründe: Eigener Stoff ist nicht gestreckt - und oft
       > besser als Dope vom Schwarzmarkt.
       
   IMG Bild: Mit dem zweiten Auge sieht ... sie auch nur dope!
       
       In Berlin setzen immer mehr KifferInnen auf Eigenanbau. Die Zahl der
       entdeckten Fälle hat sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich erhöht,
       wie die Polizei der taz auf Anfrage mitteilte. Insgesamt wurde im Jahr 2011
       in 211 Fällen gegen Privatpersonen wegen des unerlaubten Anbaus von
       Cannabis ermittelt – das sind rund 16 Prozent mehr als noch 2010. Von
       diesen Fällen wurden 69 als Plantagen mit mehr als 20 Pflanzen
       klassifiziert. Die Anzahl der Kleinplantagen, die zwischen 20 und 99
       Pflanzen haben, hat sich sogar verdoppelt. Die meisten entdeckten Fälle gab
       es bei den ganz kleinen Anbauern mit unter 20 Pflanzen, die sich selbst als
       Homegrower bezeichnen. 2011 wurden 142 von ihnen erwischt.
       
       Einen Trend will die Polizei allerdings nicht erkennen. Sie verweist
       darauf, dass die Zahlen stark schwanken – „das Anzeigeverhalten und
       Zufallsfeststellungen“ spielten dabei eine große Rolle. Sprich: Die Polizei
       muss Glück haben – wie im Fall der 62-Jährigen, die Gras in ihrem Keller in
       Lichtenrade anbaut (siehe Text rechts). 
       
       „Es gibt definitiv mehr Homegrower“, sagt hingegen Michael Knodt,
       Chefredakteur der Szenezeitschrift Hanf Journal. Er beobachte den Anbau vor
       allem in „untypischen“ Bevölkerungsschichten. Inzwischen, sagt er, seien
       ihm sogar Fälle bekannt, in denen generationsübergreifend zu Hause angebaut
       wurde: „Der Sohn fängt damit an, und ein halbes Jahr später steht auch der
       Vater im Growshop.“
       
       ## Haschisch mit Zucker
       
       Über die Gründe dafür könne man allerdings nur spekulieren. Zum einen könne
       es an der mangelnden Qualität üblicher Marktware liegen. Ständig tauche
       Haschisch auf, das mit Sand, Zucker oder Haarspray gestreckt sei.
       Organisationen wie der Deutsche Hanfverband warnen im Internet vor der
       gesundheitlichen Gefahr dabei. „Wer selbst anbaut, weiß, was drin ist – das
       ist ein unschätzbarer Vorteil“, sagt Martin Steldinger, Hanfaktivist und
       Mitarbeiter im Berliner Hanfmuseum.
       
       Ein weiterer Grund für mehr Homegrowing sei aber auch, dass sich schon mit
       semiprofessionellem Anbau deutlich höhere THC-Gehalte in den Pflanzen
       erzielen ließen. Schon mit zehn Pflanzen, sagt Steldinger, könne man so den
       Jahresbedarf eines gemäßigten Kiffers decken.
       
       Um hohe Qualität zu erzielen, reicht es allerdings nicht, Cannabis im
       Garten oder auf dem Balkon zu pflanzen und dann sich selbst zu überlassen.
       Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Bewässerung – dies alles müssen kontrolliert
       werden, so Steldinger, um optimale Ergebnisse zu züchten.
       
       Deshalb würden die meisten Heimanbauer auf sogenannte „Growschränke“ im
       Wohnzimmer setzen. Diese sind allerdings teuer: „Man muss mit einer
       Anfangsinvestition von rund 1.000 Euro allein für Equipment rechnen“, sagt
       Steldinger. Hinzu kämen Wasser- und Stromkosten. Das geht nicht nur ins
       Geld, es erhöht auch das Risiko: Außergewöhnlich hohe Wasser- und
       Stromkosten seien häufige Gründe, warum Vermieter auf Indoor-Hanfplantagen
       aufmerksam würden.
       
       Benedikt Lux, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünenfraktion im
       Abgeordnetenhaus, vermutet allerdings noch einen weiteren Grund für den
       Anstieg privater Cannabisplantagen: der Verfolgungsdruck. „Man muss sich
       nicht der Gefahr aussetzen, beim Schmuggel oder beim Kauf erwischt zu
       werden“, sagt Lux. Viele Konsumenten könnten den Heimanbau insofern als die
       sicherere Alternative betrachten. Der Anbau von Cannabis ist in Deutschland
       allerdings ohne jegliche Freimengen strafbar.
       
       Lux setzt sich seit Jahren für eine Entkriminalisierung von
       Gelegenheitskiffern ein und fordert Straffreiheit beim Besitz geringer
       Mengen zum Eigenkonsum. Beim Heimanbau, sagt er, sehe er das genauso.
       „Gekifft wird sowieso“, sagt er. Die Entkriminalisierung des Heimanbaus
       müsse jedoch juristisch durchdacht sein, räumt er ein: Die Grenze zum
       Handel ist objektiv schwer zu ziehen. „Bei mehr als drei Pflanzen kann man
       einfach nicht ausschließen, dass damit auch gehandelt wird“, sagt der
       Grüne.
       
       Auch Insider können allerdings nicht genau einschätzen, wie viel Cannabis
       aus Heimanbau tatsächlich auf dem Berliner Schwarzmarkt landet. „Eine gute
       Portion wird es aber sein“, sagt Michael Knodt vom Hanf Journal.
       Schließlich gebe es auch immer wieder Homegrower, die gewerblich anbauen.
       Das meiste Gras käme aktuell zwar aus Tschechien und Holland. „Aber“, so
       Knodt, „Gras aus Deutschland ist auf dem Vormarsch.“
       
       Trotz der rigiden Rechtslage bestätigen Knodt und Steldinger, dass die
       Polizei in Berlin recht entspannt mit Homegrowern umgehe. Meist gebe es
       eine Geldstrafe, mit der die Sache dann auch beendet sei – kein Vergleich
       zu Bayern, wo Gerichte schon beim ersten Vergehen Bewährungsstrafe und
       Führerscheinentzug verhängten. Auch die dortige Polizei reagiere häufig
       nervös: „Vor Kurzem“, so Knodt, „wurde jemand des Eigenanbaus verdächtigt,
       weil er einen Sack Blumenerede im Baumarkt gekauft hat.“
       
       4 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Miriam Hauft
       
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