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       # taz.de -- Vernichtung von Grabmälern in Timbuktu: Im Visier: die Stadt der 333 Heiligen
       
       > Schon mehrfach zerstörten islamische Eiferer kulturelles Welterbe. In
       > Timbuktu, der bekanntesten historischen Stätte der Region, geht es gegen
       > heiliggesprochene Muslime.
       
   IMG Bild: Insgesamt stehen – bzw. standen – in Timbuktu auf den jahrhundertealten Friedhöfen 16 Mausoleen.
       
       KIGALI taz Die Vernichtung von historisch einmaligen Grabmälern in der
       legendären Saharastadt Timbuktu ist nicht die erste Zerstörungsaktion
       muslimischer Fundamentalisten. Schon im März 2001 sprengten die Taliban im
       zentralafghanischen Bamyan zwei riesige Buddha-Statuen. Auch die Taliban
       rechtfertigten diesen Akt der Barbarei damit, dass die Skulpturen Götzen
       seien und „unislamisch“. Talibanführer Mullah Omar erklärte damals:
       „Muslime sollten stolz darauf sein, Idole zu zerstören. Es war ein Lob
       Gottes, dass wir sie zerstört haben.“
       
       Im Sommer des Jahres 2007 machten sich auch die pakistanischen Taliban
       daran, im hart umkämpften Swat-Tal eine 40 Meter hohe und 1.300 Jahre alte
       Buddha-Skulptur zu zerstören, indem sie Sprengstoff in Bohrlöcher füllten
       und zur Explosion brachten. Ein halbes Jahr zuvor hatten sie eine andere
       Buddha-Skulptur mit Maschinengewehren beschossen.
       
       Insgesamt stehen – bzw. standen – in Timbuktu auf den jahrhundertealten
       Friedhöfen 16 Mausoleen. Sie sind ein zentraler Teil der Identität dieses
       kulturellen und politischen Zentrums. Die „Stadt der 333 Heiligen“, wie
       Timbuktu auch genannt wird, beherbergt islamische Größen vergangener
       Jahrhunderte, die vor Unglück schützen sollen und deren Namen man zu
       besonderen Anlässen anruft, ähnlich wie die der Heiligen in der
       katholischen Kirche. Diese vor allem im afrikanischen Sufi-Islam
       verbreitete Praxis wird von radikalen Islamisten als ketzerisch bekämpft.
       In Somalia haben die islamistischen Shabaab-Milizen schon zahlreiche lokale
       Heiligengräber zerstört.
       
       Timbuktu, die bekannteste historische Stätte der Sahara- und Sahelregion,
       ist ein alter Handelsknotenpunkt, in dem die von Tuareghändlern dominierten
       Transsaharawege auf den Nigerfluss und damit die Geschäftswelt Westafrikas
       treffen. Für das Nomadenvolk der Tuareg ist Timbuktu ein spirituelles
       Zentrum, auf dessen kulturellen Reichtum und lange glorreiche Geschichte
       man sehr stolz ist.
       
       Im 15. und 16. Jahrhundert war Timbuktu das intellektuelle Zentrum des
       afrikanischen Islam. An der Universität Sankore lernten bis zu 25.000
       Studenten gleichzeitig. Hier wurden die in den vergangenen Jahrhunderten
       verfassten Schriften gesammelt und archiviert – manche auf Arabisch, viele
       aber auch in der Tuaregsprache Tamaschek und in westafrikanischen Sprachen.
       
       ## In wirren Zeiten versteckt
       
       Timbuktu ist bis heute Heimat von 300.000 bis 700.000 mittelalterlichen und
       sogar noch älteren Manuskripten. Die meisten befinden sich in Privathäusern
       altetablierter Familien – 60 bis 80 Sammlungen, die in wirren Zeiten immer
       wieder versteckt werden, beispielsweise bei der französischen Eroberung
       1894 oder eben dieses Jahr mit dem Aufkommen der bewaffneten Rebellionen.
       
       Die größte Moschee Timbuktus ist die Moschee Djingareyber. Sie wurde von
       Sultan Kankan Moussa nach seiner Rückkehr von einer Mekka-Pilgerfahrt 1325
       errichtet. Auch die Moschee Sankore wurde in dieser Zeit neu gebaut; der
       zentrale Platz ist nach den Maßen der Kaaba in Mekka ausgelegt. Die dritte
       große Moschee Sidi Yahia ist älter.
       
       Das Islamische Institut Ahmed Baba, das von der Unesco gefördert wird,
       wurde 2009 eingeweiht. „Das Salz kommt aus dem Norden, das Gold aus dem
       Süden, das Geld von den Weißen; aber das Wort Gottes, die Heiligtümer und
       die erbaulichen Erzählungen gibt es nur in Timbuktu“, lautet das Motto des
       Instituts, das damit begonnen hat, alte Manuskripte zu konservieren. Auch
       dies ist ein Affront für den saudisch geprägten Fundamentalismus, der nicht
       akzeptiert, dass es neben den saudischen heiligen Stätten rivalisierende
       intellektuelle Zentren des Islam geben kann.
       
       1 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
   DIR Islam
   DIR Tuareg
       
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