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       # taz.de -- Italiens Weg durch das Turnier: Auferstanden aus Skandalen
       
       > Kurz vor dem Turnier wurden Spieler verhaftet, in der Vorrunde gab es
       > lauwarme Spiele und homophobe Sprüche. Aber dank Pirlo und Balotelli
       > wurde Italien wieder zu einer Fußballmacht.
       
   IMG Bild: Buffon, Pirlo and Marchisio bei der Ankunft in Kiew. Dass sie es bis ins Finale schaffen würden, mag manche verwundern. Aber nicht die Italiener.
       
       Die Ausgangslage 
       
       Kurz vor Beginn des Turniers bietet der italienische Fußball wieder einmal
       ein kaputtes Bild. Ende Mai werden die Nationalspieler Domenico Criscito
       und Stefano Mauri und 17 weitere Personen wegen des [1][Verdachts auf
       Wettbetrugs verhaftet]. Sogar Weltmeistertorwart Gianluigi Buffon gerät in
       Verdacht; und der italienische [2][Ministerpräsident Mario Monti sinniert]
       darüber, ob man die Mannschaft nicht aus dem Turnier nehmen und den Fußball
       im Land für zwei, drei Jahre aussetzen soll.
       
       Doch viele italienische Fans denken ganz anders: [3][Sie erinnern sich
       daran], wie kurz vor den Weltmeisterschaften 1982 und 2006
       Manipulationsskandale den heimischen Fußball erschütterten und wie Italien
       beide Male Weltmeister wurde. Auch EM-taz-Redakteur Enrico Ippolito stört
       sich weniger am Skandal als am Umgang damit, den er als [4][enttäuschend
       tränen- und dramafrei kritisiert].
       
       Nach dem miserablen Auftritt bei der WM 2010 hat Trainer Cesare Prandelli
       sein Team erneuert. Von der Weltmeisterschaft sind nur Buffon, Spielmacher
       Andrea Pirlo und Daniele de Rossi übrig, auch Antonio di Natale gehört zu
       den älteren Jahrgängen. Dafür ist ein gewisser Mario Balotelli im Kader,
       die „Bombe im Sturm“, wie [5][die taz ihn vorstellt].
       
       Die Vorrunde 
       
       Bereits im Auftaktspiel in Danzig trifft Italien auf den späteren
       Finalgegner Spanien. Zur allgemeinen Überraschung stellen sich das Team
       nicht einfach hinten rein, um auf Konterchancen zu lauern, sondern spielt
       mit großem athletischem Einsatz offensiv nach vorn. Nach einem traumhaften
       Zuspiel von Pirlo auf di Natale gehen die Italiener in der 61. Minute in
       Führung; kurz darauf gleicht Spanien zum gerechten 1:1 aus „Mit Italien ist
       zu rechnen“, [6][urteilt der Teamleiter der EM-taz, Deniz Yücel].
       Skeptischer ist der italienische Autor Marco D'Eramo: „Ich habe mich bei
       Ukraine gegen Schweden mehr amüsiert“, [7][sagt er im taz-Interview].
       
       Im zweiten Spiel gegen Kroatien sind die Italiener anfangs überlegen. Und
       besonders überlegen ist wieder einmal Pirlo, der in der 39. Minute einen
       Freistoß ins kroatische Tor zirkelt. Doch am Ende steht es erneut 1:1.
       „Italien hat versäumt, rechtzeitig die Führung auszubauen“, [8][urteilt
       EM-taz-Autor Felix Dachsel] und muss zur Strafe um den Einzug ins
       Viertelfinale bangen.
       
       Denn die Konstellation ist: Endet das Spiel zwischen Spanien und Kroatien
       mit einem Unentschieden von 2:2 oder höher, ist Italien unabhängig vom
       Ergebnis des Spiels gegen Irland ausgeschieden. Im skandalerprobten
       [9][Italien spekuliert man über mögliche Absprachen], was Spanier und
       Kroaten empört zurückweisen. Doch am Ende gewinnt Spanien mit 1:0 und
       Italien besiegt pflichtgemäß Irland mit 2:0. Die Torschützen: Andrea
       Cassano und Mario Balotelli mit einem großartigen Fallrückzieher. Insgesamt
       aber ist der Auftritt nicht überzeugend. „Will Italien das Viertelfinale
       überstehen, braucht es aber eine deutliche Steigerung“, [10][findet
       EM-taz-Hospitant Erik Peter].
       
       Und sonst? Sonst macht eben jener Cassano von sich reden, als er auf einer
       Pressekonferenz auf Italienisch zu Protokoll gibt: Die Vorstellung, dass
       Schwule in der Nationalmannschaft spielen könnten, [11][sei eine
       „Schande“]. EM-taz-Redakteur Enrico Ippolito [12][antwortet ihm in einer
       Sprache], die er garantiert versteht; Cassano entschuldigt sich.
       
       Das Viertelfinale 
       
       einem gewagten und sehr coolen Lupfer den weiteren Verlauf des Duells
       maßgeblich beeinflusst: Die Italiener gewinnen ihr Selbstvertrauen zurück,
       die Engländer sind verunsichert, Buffon bleibt souverän und am Ende steht
       es 4:2. „Elfmeterschießen können gerecht sein“, [13][resümiert EM-taz-Autor
       Jan Feddersen] und der [14][Corriere dello Sport] jubelt: „Gewaltig! Italia
       grandissima!“
       
       Das Halbfinale 
       
       Im Laufe des Turniers hat sich Balotelli zum zweiten Schlüsselspieler neben
       Pirlo gespielt. „Er könnte in Form sein gegen die Deutschen“, [15][warnt
       taz-Redakteur Andreas Rüttenauer]. Er soll recht behalten. Italien erweist
       sich auch beim achten Turnierspiel [16][für Deutschland so unbesiegbar wie
       zuvor].
       
       [17][Im Liveticker weigert sich] taz-Expertin Ines Pohl, den Siegern zu
       gratulieren, aber EM-taz-Redakteur [18][Michael Brake meint,] dass Italien
       an diesem Tag „einfach besser“ war. Auch das Finale hält er für „eine
       offene Angelenheit“. Der Mann des Spiels: Der doppelte Torschütze Mario
       Balotelli. „Sein Talent ist so groß wie seine Selbstgewissheit“,
       [19][schreibt taz-Sportredakteur Markus Völker], der Publizist [20][Georg
       Seeßlen erklärt in der taz] Balotellis Nicht-Jubel-Pose zu einem
       „antirassitsischen Denkmal“ und der Corriere della Sera kommentiert: „Es
       war die schönste Partie, eine Schönheit, entstanden aus dem Wissen um die
       eigenen Mittel.“
       
       Deutschland hingegen ist noch vor dem Finale ausgeschieden, womit
       hierzulande nur die wenigsten. Dazu gehört EM-taz-Chef Deniz Yücel:„Super!
       Deutsche endlich am Arsch“, hatte er vor Beginn des Turniers [21][in einer
       Kolumne geschrieben] und prognostoziert, die deutsche Mannschaft sei
       „gefundebes Fressen für die Italiener“.
       
       Vorm Finale 
       
       Aus der italienischen Mannschaft, die Buffon vor EM noch mit Griechenland
       oder Tschechien verglichen hat, ist wieder eine echte Fußballmacht
       geworden, [22][berichtet Andreas Rüttenauer aus Kiew] – einer der man
       zutraut, nicht nur den Titel zu gewinnen, sondern auch zur Heilung eines
       ganzen Landes beizutragen.
       
       Und [23][hier] Spaniens Weg durchs Turnier.
       
       1 Jul 2012
       
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