URI: 
       # taz.de -- Anti-AKW-Proteste in Japan: Zustände wie in Gorleben
       
       > Erstmals seit Fukushima ist am Sonntag wieder ein Atomreaktor in Japan
       > ans Netz gegangen. Tausende Atomkraftgegner gegen die Inbetriebnahme.
       
   IMG Bild: Es werden immer mehr: Japanische AKW-Gegner bei der Sitzblockade am Sonntagmorgen.
       
       TOKIO dapd/afp | Mehr als ein Jahr nach der verheerenden Atomkatastrophe in
       Fukushima ist erstmals wieder ein japanisches Kernkraftwerk hochgefahren
       worden. Der Reaktor 3 des Meilers Ohi ging am Sonntag ans Netz.
       
       Rund 200 Demonstranten blockierten am Sonntag die Zufahrt zu dem AKW, um
       gegen die Wiederinbetriebnahme der Anlage zu protestieren. „Nein zum
       Wiederanfahren“, riefen die Demonstranten laut Medienberichten vor dem
       Kraftwerk im Westen Japans, während sie mit Trommeln ihrer Forderung Gehör
       zu verleihen versuchten. Bereits Samstagnacht hatten rund 650 Menschen vor
       der Atomanlage demonstriert.
       
       Nach dem Unglück im vergangenen März hatte Japan alle 50 betriebsbereiten
       Reaktoren für Sicherheitsüberprüfungen vom Netz genommen. Seitdem ist die
       öffentliche Meinung über ihre Wiederinbetriebnahme gespalten. Am Sonntag
       sollte zudem eine groß angelegte Demonstration in einem Park in der
       Hauptstadt Tokio organisiert werden, um gegen die erneute Inbetriebnahme zu
       protestieren und den Rücktritt des Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda zu
       fordern.
       
       Der Regierungschef ordnete im vergangenen Monat an, die Reaktoren drei und
       vier des Atomkraftwerks Ohi wieder hochzufahren. Japan könne ohne
       Atomenergie seinen Lebensstandard nicht halten, erklärte er. Insbesondere
       für die heißen Sommermonate wird ohne Atomstrom eine Energieknappheit
       befürchtet. Japans Ölverbrauch ist stark gestiegen.
       
       ## Bewegung erhält Zulauf
       
       Einer der etwa 200 Demonstranten vor dem Atomkraftwerk Ohi, Taisuke Kohno,
       sagte, die Demonstranten planten, Tag und Nacht vor dem Kraftwerk Wache zu
       halten. „Dass Atomkraft sauber ist, ist eine Lüge“, sagte der 41-jährige
       Musiker. Wie könne Japan nach den Erfahrungen der Atombombenabwürfe über
       Hiroshima und Nagasaki Atomkraft haben wollen, fragte Kohno.
       
       Obwohl große Demonstrationen und Protestaktionen in Japan sehr selten sind,
       trafen sich an Freitagen regelmäßig mehrere Tausend Atomkraftgegner vor der
       dem Sitz des Ministerpräsidenten und skandierte Parolen wie „Nein zur
       nuklearen Inbetriebnahme“.
       
       Die Protestbewegung wurde von den etablierten Medien lange Zeit ignoriert,
       gewann im ganzen Land dennoch an Zulauf, da Aktivisten neue
       Medienplattformen wie den Kurznachrichtendienst Twitter nutzten, um sich zu
       organisieren. Auch Nobelpreisträger Kenzaburo Oe oder der Komponist Ryuichi
       Sakamoto, der die Melodie für den Film „Der letzte Kaiser“ komponierte,
       schlossen sich der Bewegung an.
       
       Im havarierten Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi fiel am Samstag das
       Kühlsystem für die verbrauchten Brennstäbe im Reaktor 4 aus, wie der
       Betreiber Tepco mitteilte. Am Sonntag sei ein Ersatzsystem installiert
       worden. Innerhalb von 70 Stunden müsse die Kühlung nun repariert werden,
       sonst steige die Temperatur und Strahlung trete aus, hieß es in der
       Mitteilung von Tepco.
       
       1 Jul 2012
       
       ## TAGS
       
   DIR Japan
   DIR Atombombe
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Seltene Ansprache an die Öffentlichkeit: Japanischer Kaiser erwägt Abdankung
       
       Er hat keine politische Macht, gilt aber als „Staatssymbol“: Der japanische
       Kaiser Akihito hat den Wunsch signalisiert, abzudanken – aus
       gesundheitlichen Gründen.
       
   DIR 70 Jahre nach Atombombenabwurf: Weiter Tausende in Behandlung
       
       Vor 70 Jahren warfen die USA Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Noch
       heute leiden Anwohner_innen an Folgen der Strahlung.
       
   DIR Atomkraftwerke in Japan: Mit voller Kraft zurück
       
       Der weltweit größte Atommeiler soll wieder hochgefahren werden. Der
       Betreiber des japanischen Unglücksreaktors Fukushima hat einen Antrag
       eingereicht.
       
   DIR Japanischer Journalist über Fukushima: „Die Verbrechen sind so offensichtlich“
       
       TV-Journalist Shigenori Kanehira über Machtkämpfe in Japans Politik, eine
       neue Art von Zivilgesellschaft und warum er glaubt, dass die Industrie zu
       glimpflich davonkommt.
       
   DIR Kommentar Fukushima: Wo Menschen sind, versagen sie
       
       Der Bericht des japanischen Parlaments ist das Psychogramm eines von
       Selbstzweifeln zerfressenen Depressiven. Dabei gibt es eine Konstante in
       der Geschichte: Technik versagt.
       
   DIR Untersuchungsbericht zu Fukushima: Eine Katastrophe „made in Japan“
       
       Ein Untersuchungsbericht enthüllt das Totalversagen von Regierung und
       Atomindustrie. Und macht die Kungelei der beiden für den Unfall in
       Fuskushima verantwortlich.
       
   DIR Abschlussbericht über Fukushima-Unglück: Eine betrogene Nation
       
       Die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima war vermeidbar. Ein
       parlamentarischer Untersuchungsbericht kritisiert die engen Verbindungen
       zwischen Regierung und Atomindustrie.
       
   DIR Japan übernimmt Tepco: VEB Fukushima daiichi
       
       Tepco, Eigentümer der Katastrophenreaktoren von Fukushima, wird de facto
       verstaatlicht. Dies geschieht über eine Kapitalerhöhung, die Japans
       Steuerzahler komplett finanzieren.
       
   DIR Umweltbewusstsein im Industriestaat Japan: Stromsparen als nationale Passion
       
       Klimaziele verpasst, mehr Treibhausgase in die Luft gepustet: Japans Bürger
       und Firmen haben die Energierevolution trotzdem schon begonnen.
       
   DIR Atomkraft in Japan: Atomare Rolle rückwärts
       
       Noch sind die japanischen Atommeiler abgeschaltet. Doch nun könnte der
       Strom knapp werden, warnt Regierungschef Noda und will den Schalter
       umlegen.