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       # taz.de -- Regulierung des Aktienhandels: Ein bisschen langsamer
       
       > Die Bundesregierung will den Hochfrequenzhandel mit Wertpapieren stärker
       > regulieren. So sollen Spekulation und zu hohe kurzfristige
       > Kursschwankungen eingedämmt werden.
       
   IMG Bild: Darf seinen hochfrequenten Flügelschlag behalten: Ein Kolibri bei der Fütterung des Nachwuchses.
       
       BERLIN rtr | Die Koalition hat sich auf erste Eckpunkte zur Regulierung des
       umstrittenen Hochfrequenzhandels an den Börsen geeinigt. Die Betreiber
       superschneller Handelssysteme werden künftig von der Börsenaufsicht BaFin
       überwacht. Marktmanipulierende Strategien wie andauernde Preisanfragen ohne
       echte Handelsabsicht sollen verboten werden.
       
       Nach Angaben aus dem Regierungsbündnis vom Donnerstag ist eine
       Mindesthaltedauer für einzelne Orders aber vom Tisch. Dies hätte
       hierzulande das Geschäftsmodell vieler sogenannter Algo-Trader zerstört,
       die mithilfe komplizierter Algorithmen Kursschwanken ausnutzen. Die
       Deutsche Börse begrüßte die Pläne, forderte allerdings gleiche Regeln für
       alle Börsenbetreiber in Europa.
       
       Bei der Kontrolle des Algo-Tradings hinkt der Staat weit hinterher. So
       besteht bisher keine besondere Erlaubnispflicht für solche Investoren und
       keine Regeln für Systemstörungen. Beim Hochfrequenzhandel setzten Anleger
       auf Computer, die nach minimalen Kursschwankungen Ausschau halten und dann
       binnen Sekundenbruchteilen unzählige Aufträge abfeuern.
       
       Experten zufolge ist das Algo-Trading in den USA schon für 70 Prozent der
       Aktienumsätze verantwortlich, in Deutschland dürften es etwa 40 Prozent
       sein. Kritiker werfen den Betreibern vor, sie lösten gefährliche
       Preisschwankungen aus und beeinflussten die Kurse.
       
       ## Kein Antesten von Kursen
       
       Die Regulierungslücke will die Koalition nun schließen. Einem
       Eckpunktepapier des Finanzministerium zufolge werden den Algo-Tradern neben
       der Erlaubnispflicht umfassende Dokumentationspflichten gegenüber der BaFin
       auferlegt. Zudem einigten sich die Finanzexperten der Koalition mit dem
       Ministerium darauf, das bloße andauernde Antesten von Kursen zur
       Preisbeeinflussung zu untersagen. Bei einer exzessiven Nutzung von
       Handelssystemen werden Gebühren erhoben. Außerdem sind Mindestgrenzen von
       kleinstmöglichen Kursänderungen geplant.
       
       Die Koalition will außerdem die Möglichkeiten der BaFin verbessern, bei
       ungewöhnlichen Kursschwankungen den Handel zu unterbrechen. Damit will sie
       Einbrüche wie den „Flash Crash“ an der Wall Street im Mai 2010 verhindern.
       Damals rauschte der US Leitindex S&P 500 innerhalb weniger Sekunden um fast
       zehn Prozent in den Keller, um sich kurz darauf schnell wieder zu erholen.
       Experten machten dafür das Algo-Trading mitverantwortlich.
       
       Die Deutsche Börse hat stets betont, dass ein solcher Einbruch in Frankfurt
       wegen bestehender Sicherheitssysteme nicht möglich sei. Höheren
       Transparenz-Vorschriften steht das Unternehmen positiv gegenüber und hat
       mit eigenen Vorschriften bereits einige der Forderungen umgesetzt, die von
       der Regierung in ihrem Eckpunktepapier gefordert werden.
       
       ## Eine Flut von Aufträgen
       
       Wie andere Anbieter bittet die Deutsche Börse seit März etwa diejenigen
       Kunden zur Kasse, bei denen das Verhältnis von Aufträgen und
       Handelsabschlüssen („order-to-trade-ratio“) besonders weit
       auseinanderklafft. Händler, die eine Vielzahl von Aufträgen durch das
       System jagen, am Ende aber extrem selten handeln, sind Politik und den
       Börsen nämlich gleichermaßen ein Dorn im Auge: Sie verstopfen mit einer
       Flut von Aufträgen die IT-Systeme, sorgen aber für verhältnismäßig wenig
       Umsatz.
       
       „Wir begrüßen grundsätzlich ergänzende Regulierungsmaßnahmen, die dazu
       beitragen, den Hochfrequenzhandel besser fassbar zu machen – etwa eine
       Stärkung der Handelsüberwachung oder höhere und erweiterte Anforderungen an
       das Risikomanagement“, sagte ein Sprecher der Deutschen Börse. Wichtig sei
       allerdings, dass es für alle Börsenbetreiber in Europa gleiche
       Voraussetzungen gebe.
       
       Mit der nationalen Regulierung der Branche prescht die Koalition wie beim
       Verbot von Leerverkäufen in der EU vor. „Wir sind auf einem guten Weg, das
       Finanzministerium hat überzeugende Vorschläge gemacht“, sagte der
       CDU/CSU-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach zu Reuters. Der Gesetzentwurf
       werde voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte im Kabinett sein. Auf
       EU-Ebene werden Regelungen zum Hochfrequenzhandel zurzeit bei der
       Überarbeitung der EU-Finanzmarktrichtlinie MIFID erörtert.
       
       28 Jun 2012
       
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