URI: 
       # taz.de -- Wachstumspaket der EU: Die Luftbuchung
       
       > Die Euro-Chefs wollen mit 130 Milliarden Euro das Wachstum ankurbeln.
       > Doch das Geld ist längst verplant, es handelt sich nicht um zusätzliche
       > Mittel.
       
   IMG Bild: Geht dem Euro bald die Luft aus?
       
       BERLIN taz | Die Summe klingt gigantisch: 130 Milliarden Euro sollen in ein
       Wachstumspaket fließen. So will es der Eurogipfel am Donnerstag
       beschließen. Aber wo genau kommt dieses Geld her? Gleichzeitig sollen ja
       alle Staaten sparen.
       
       Bei näherer Betrachtung zeigt sich: Die 130 Milliarden Euro sind eine
       Luftbuchung. Dies wird schon beim ersten Posten klar, bei den
       EU-Strukturfonds. Dort sollen 55 Milliarden herkommen. Das klingt gut. Doch
       stehen diese Mittel längst im mittelfristigen Finanzrahmen der EU – und
       sind auch schon verplant. Es handelt sich also nicht um zusätzliches Geld.
       
       Die Euro-Staatschefs wissen dies natürlich und haben sich darauf verlegt,
       dass die EU-Gelder „beschleunigt“ verwendet werden sollen. Bisher hat es
       oft Jahre gedauert, bis die Mittel beantragt und abgerufen wurden.
       
       Aber da lauert eine neue Tücke: Der jährliche EU-Haushalt ist gar nicht
       groß genug, um die Mittel vorgezogen auszuzahlen. Man müsste ihn also
       aufstocken. Doch bisher ist Deutschland nicht bereit, weitere Milliarden
       nach Brüssel zu schicken.
       
       ## Zusätzliches Polster
       
       Eine zweite Idee der Regierungschefs: Das Eigenkapital der Europäischen
       Investitionsbank (EIB) soll um 10 Milliarden Euro aufgestockt werden. Mit
       diesem Polster versehen, könnte die EIB dann zusätzliches Geld auf den
       Finanzmärkten aufnehmen, sodass insgesamt etwa 60 Milliarden Euro an die
       EU-Staaten verliehen werden könnten. Das wäre ein Plus von 12,5 Prozent:
       Momentan hat die EIB 480 Milliarden Euro an Krediten vergeben oder
       zugesagt.
       
       Allerdings würden die neuen Kredite nicht nur in die Krisenländer fließen.
       Die EIB legt Wert auf ein „ausgewogenes Portfolio“. Übersetzt: Sie will
       ihre Darlehen über alle 27 EU-Staaten streuen, um das Risiko zu minimieren.
       
       Zudem genügt es nicht, dass die EIB Geld hat, um Kredite zu vergeben –
       jemand muss diese Kredite auch abrufen. Bisher waren dies vor allem
       staatliche Stellen, wie das Beispiel Spanien zeigt. 2011 erhielt das Land 9
       Milliarden an EIB-Krediten, wovon ein Großteil an die Provinzen und an
       öffentliche Einrichtungen ging. Wenn die EU jedoch vorschreibt, dass die
       Krisenstaaten drakonisch sparen sollen, dann bleiben die Kredite liegen.
       
       Der Wachstumspakt sei „ein makroökonomischer Witz“, findet der grüne
       Europa-Abgeordnete Sven Giegold. „Die beste Konjunkturpolitik wäre, die
       Sozialsysteme in den Krisenländern zu stärken.“ Wenn etwa die Arbeitslosen
       mehr Geld erhielten – sie würden es garantiert ausgeben und damit das
       Wachstum fördern. „Aber stattdessen erfindet die EU neue Institutionen, die
       nicht funktionieren.“
       
       27 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Herrmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Großbritannien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Britischer EU-Haushalt gekürzt: Koalition gegen den EU-Größenwahn
       
       Premier Cameron hat eine Abstimmung zum EU-Haushalt verloren.
       Labour-Opposition und Tory-Rechte haben sich plötzlich verbündet.
       
   DIR Kommentar Merkels Regierungserklärung: Eurobonds oder Tod
       
       Die Kanzlerin hat ihre Position in der Eurokrise schon oft revidiert. Immer
       zu spät. Jetzt will sie in Sachen Eurobonds hart bleiben. Die Folge wäre
       katastrophal.
       
   DIR Deutsche Haltung zum Eurorettungsfonds: Merkel gegen den Rest
       
       Während die Welt auf ein entschlossenes Handeln der Europäer wartet, bewegt
       sich die Kanzlerin keinen Millimeter: Eurobonds gebe es nicht, solange sie
       lebe.
       
   DIR Reaktionen auf Satz der Bundeskanzlerin: Bond jagt Dr. Merkel
       
       Eine flapsige Bemerkung der Kanzlerin zieht ihre Kreise. Die Opposition
       hält die Ablehnung der Eurobonds „solange ich am Leben bin“ für völlig
       unangemessen.
       
   DIR Streit der Woche: Werden sie ein Erfolgsduo?
       
       Mit Nicolas Sarkozy konnte Angela Merkel gut kooperieren. Francois
       Hollande, der neue Präsident Frankreichs, will sich allerdings von der
       Politik seines Vorgängers distanzieren.
       
   DIR Banker Bosomworth über die Eurozone: „Eurobonds kaufen wir sofort“
       
       Zahlen muss Deutschland sowieso, sagt Investmentbanker Andrew Bosomworth.
       Es gibt nur die Wahl zwischen „guten“ und „schlechten“ Risiken.