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       # taz.de -- Ausländerpolitik in den USA: In Arizona geht die Angst um
       
       > Seit 2010 werden Latinos im Bundesstaat Arizona verstärkt kontrolliert.
       > Das Oberste Gericht schreibt der Polizei jetzt Mäßigung vor. Das
       > zweifelhafte Ausländergesetz bleibt bestehen.
       
   IMG Bild: Joseph Arpaio, „härtester“ Polizeichef der USA, findet Ausländer bedrohlich.
       
       WASHINGTON taz | Manche sehen darin eine „Niederlage“ für Arizonas
       republikanische Gouverneurin Jan Brewer. Für andere ist es eine
       „Niederlage“ für Präsident Barack Obama. Fakt ist, dass am Montag das
       Oberste Gericht der USA drei Bestimmungen aus einem umstrittenen
       Immigrationsgesetz in Arizona gekippt und eine vierte für
       verfassungskonfrom erklärt hat. Es war die zweite migrationspolitische
       Entscheidung in den USA binnen einer Woche. Zuvor hatte Präsident Obama
       einen vorübergehenden Abschiebestopp für rund 800.000 junge Leute
       verkündet.
       
       In einer Kritik an dem Gesetz, „SB 1070“ – für State Bill Nummer 1070 – hat
       das Oberste Gericht am Montag entschieden, dass es in Arizona weiterhin
       kein „Delikt“ ist, ohne Ausweispapiere unterwegs zu sein. Dass es ebenfalls
       kein „Delikt“ ist, ohne Aufenthaltsgenehmigung Arbeit zu suchen. Und dass
       die Polizei auch in Arizona niemanden ohne Haftbefehl verhaften darf. Doch
       zugleich entschieden die Richter in Washington, die umstrittene
       Kernbestimmung des Gesetzes beizubehalten. Danach dürfen Arizonas
       Polizisten nunmehr Personen auf ihren Migrationsstatus hin kontrollieren,
       wenn sie den „begründeten Verdacht“ haben, dass sie Personen illegal in den
       USA sind.
       
       Die Sorge vor Diskriminierungen durch diese Bestimmung hat im Jahr 2010,
       als Gouverneurin Brewer das Gesetz unterschrieb, zu massiven Protesten in
       Phoenix geführt. Die Gouverneurin wies den Verdacht, ihre Polizisten würden
       nach rassistischen Kriterien kontrollieren, weit von sich. Doch schon im
       Vorfeld ihres Gesetzes hatte der Sheriff in Maricopa County, Joe Arpaio,
       seine Gefängnisse mit Abschiebekandidaten gefüllt. Und mit zahlreichen
       öffentlichen Auftritten für ein hartes Durchgreifen gegen „Illegale“ das
       Territorium für das Gesetz vorbereitet. Seit 2010 wurden in Arizona Latinos
       bei Strassensperren und anderen Kontrollen gezielt für Kontrollen
       ausgewählt. Betroffen sind nicht nur Menschen ohne Papiere, sondern auch
       Lations, die legal in Arizona leben.
       
       Bei vielen der rund zwei Millionen Latinos in Arizona brach Panik aus. Eine
       unbekannte Zahl von Papierlosen – darunter ganze Familien - verliessen Hals
       über Kopf Arbeit und Wohnung und flohen in andere Bundesstaaten. Andere
       organisierten sich in nachbarschaftlichen „Barrio-Gruppen“, um sich
       gegenseitig vor Polizeikontrollen und drohenden Abschiebungen zu warnen.
       Unter anderem stellen sich Nachbarn in Arizona neuerdings gegenseitig
       Vollmachten aus, damit sie im Falle ihrer Abschiebung die Versorgung der
       Kinder übernehmen können. Die Eltern wollen so verhindern, dass ihre Kinder
       im Falle ihrer Abschiebung in die Hände der Fürsorge geraten.
       
       ## Obama befürchtet rassistische Aktionen
       
       In der vergangenen Woche taten sich in einer nie zuvor dagewesenen Aktion
       sämtliche spanischsprachige Radio- und TV-Sender Arizonas zu einer
       gemeinsamen Aktion zusammen. Sie veröffentlichten eine gemeinsame
       halbstündige Sendung „Yo soy Arizona“, in der sie Latinos über ihre Rechte
       im Falle von Polizeikontrollen aufklärten und ihr Publikum dazu aufriefen,
       sich für die Wahlen im November zu registrieren.
       
       Gouverneurin Brewer begründete das Gesetz „SB1070“ mit der „Sicherheit“
       ihres Bundesstaates. Sowie damit, dass die von Präsident Obama versprochene
       Einwanderungsreform ausblieb. Der Präsident beauftragte seinen
       Justizminister Eric Holder mit einer Klage gegen „SB 1070“, weil er darin
       sowohl die Gefahr rassistischer Diskriminierungen, als auch eine
       Überschreitung der Befugnisse eines Bundesstaates sah.
       
       Gouverneurin Brewer ist eine scharfe Kritikerin von Obama. Bei einem Besuch
       des Präsidenten in Arizona fuchtelte sie vor laufenden Kameras mit einem
       ausgestreckten Zeigefinger vor seinem Gesicht herum. Direkt nach
       Bekanntwerden des Gerichtsentscheides sprach Brewer am Montag von einem
       „Sieg“. Sie sagte, ihre Polizei werde umgehend damit beginnen, die
       Kontrollen zu verstärken. Brewer: „Heute sind Schlüsselkomponenten unserer
       Anstrengungen, die Bürger von Arizona zu schützen und auf ausgeglichene und
       verfassungstreue Art gegen die illegale Einwanderung zu kämpfen, einstimmig
       von dem Obersten Gericht gerechtfertigt worden.“
       
       Präsident Obama sagte nach Bekanntwerden der Entscheidung, er sei „froh“.
       Zugleich äußerte er Zweifel über die konkreten Konsequenzen der
       Entscheidung.
       
       Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney war am Montag, als
       die Entscheidung des Obersten Gerichts bekannt wurde, auf Wahlkampf in
       Phoenix, Arizona. Romney klagte, das Oberste Gericht hätte den
       Bundesstaaten mehr „statt weniger“ Spielraum zur Durchsetzung ihrer
       Einwanderungspolitik geben sollen.
       
       26 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
       ## TAGS
       
   DIR Barack Obama
   DIR Schwerpunkt USA unter Donald Trump
       
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