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       # taz.de -- Lasche Kontrollen von Google: Wie Nazis auf Youtube Geld verdienen
       
       > Britische Neonazigruppen wie „Blood & Honour“ oder „Combat 18“
       > profitieren möglicherweise finanziell von Youtube. Besitzer Google
       > erkennt kein Problem.
       
   IMG Bild: Propaganda von Blood & Honour auf Youtube. Bringt sie auch Geld ein?
       
       LONDON taz | Mit dem Posten von Videos auf Youtube Geld zu verdienen ist
       eine gute Sache, oder? Was an sich dazu gedacht war Youtube-Nutzer, die mit
       ihren Filmen die Videoplattform mit Inhalt füllen, an Werbeeinnahmen zu
       beteiligen, wird leider in Großbritannien missbraucht, berichtet der
       britische Guardian. Und zwar von angelsächsischen Neonazi-Gruppen wie
       „Blood & Honour“ oder „Combat 18“.
       
       Mitglieder der Extremistengruppen posten selbstgemachte, nicht
       urheberrechtlich geschützte Videos auf Youtube und verdienen so
       möglicherweise Geld im Rahmen von Googles Adsense-Programm. Wer Videos auf
       Youtube veröffentlicht, die häufig angesehen werden, wird von der
       Suchmaschine eingeladen, an ihrem Partnerprogamm teilzunehmen.
       
       Neben den braunen Videos werden Anzeigen von britischen Unternehmen wie
       Virgin Media, BT oder O2 eingeblendet und bei jedem Klick klingelt es in
       den Kasssen von „Blood & Honour“ oder „Combat 18“. Die Hetzfilme wurden
       zwar von Google entfernt, aber es ist unklar, ob das Internetunternehmen
       Maßnahmen gegen derartigen Mißbrauch eingeführt hat.
       
       Das Problem: Google hat längst keinen Überblick über die Inhalte seiner
       Webseiten mehr und scheint auch wenig Anstalten zu machen, dieser Situation
       wieder Herr zu werden. „Bei uns werden in der Minute 60 Stunden
       Videomaterial hochgeladen“, entrüstete sich ein Google-Sprecher – mit
       anderen Worten: Wer soll das bitte alles kontrollieren? Stattdessen
       verlässt sich Google auf seine User und deren Gerechtigkeitsgefühl.
       
       ## Youtube-Nutzer sollen's richten
       
       „Youtube-Richtlinien untersagen Hassreden und wir fordern unsere User auf,
       Inhalte zu kennzeichnen,bei denen sie einen Regelverstoß vermuten“, sagte
       der Google-Sprecher weiter. „Wir prüfen markierte Videos und entfernen
       umgehend Inhalte, die unsere Richtlinien verletzen. Videos, die mit
       Anzeigen gezeigt werden, unterliegen denselben Richtlinien, sobald sie von
       den Nutzern gemeldet wurden. Die Tatsache, dass neben Videos Anzeigen
       eingeblendet werden, bedeutet nicht automatisch, dass die Content-Provider
       Geld über unser Partnerprogramm verdienen.“
       
       Sich auf seine Nutzer zu verlassen, ist natürlich kein System, sondern
       schlicht der Versuch, Kosten zu sparen und sich vor der Verantwortung zu
       drücken für Inhalte, die auf Googles Webseiten erscheinen. Das ist in etwa
       so, als ob jemand radioaktiven Müll in seinem Garten lagert und sich keiner
       Schuld bewusst ist, wenn die Umgebung verstrahlt wird.
       
       „Genau wie Google, versteckt Youtube seine Unverantwortlichkeit als
       Unternehmen hinter der Redefreiheit“, empörte sich Robert Levine,
       ehemaliger leitender Redakteur des US-Musikmagazins Billboard, der über
       Datenschutztechnologie schreibt. „Aber es gibt Zeiten, da scheint Youtube
       stärker an seiner Freiheit interessiert, Anzeigen zu verkaufen. Ich habe
       mir diese Videos angesehen. Das ist ziemlich beunruhigendes Zeug.“
       
       Auch hat dieses „Kontrollsystem“ nur wenig mit einer systematischen
       Vorgehensweise zu tun. Nur wenige spüren systematisch Neonazi-Videos auf
       YouTube auf, um sich anschließend über sie zu beschweren. Die meisten User
       werden gar nichts von der Existenz solcher Videos wissen, und wer selbst
       mit dem Neofaschismus liebäugelt, der dürfte an den braunen Filmchen nichts
       auszusetzen haben.
       
       ## Schandensersatz droht
       
       Im Inselkönigreich könnte diese entspannte Haltung von Google aber zu Ärger
       führen, denn laut dem britischen Verleumdungsschutzgesetz ist der Betreiber
       einer Webseite für alle Inhalte auf seinem Medium verantwortlich – ob er
       sich über deren Existenz im klaren ist oder nicht. Und die von britischen
       Geschworenen zugesprochenen Schadenersatzsummen können empfindlich hoch
       sein. Nur – wo kein Kläger, da ist kein Richter. Bislang haben sich die
       britischen Medien, vom Guardian einmal abgesehen, auch nur spärlich mit dem
       Thema beschäftigt.
       
       Faktisch ist es aber so, dass Youtube dazu genutzt wird, um Verbindungen zu
       Neonazi-Webseiten aufzubauen, wo Literatur wie die Rassistenbibel „The
       Turner Diaries“ propagiert wird, die zur Nachtlektüre von Timothy McVeigh,
       dem Oklahoma-City-Bombenleger, gehörte. Auch der rechtsextremistische
       Londoner „Nagel-Bomber“ David Copeland und Anders Breivik, der Attentäter
       von Norwegen, haben vermutlich viel Unterstützung von Online-Communities
       bekommen.
       
       Doch nicht jeder hält das für ein Problem: „Ich weiß nicht, ob ich mit der
       zugrundeliegenden Prämisse ‘gefährlich und unverantwortlich’
       übereinstimme“, erklärte der kanadisch-britische Blogger, Kolumnist und
       Science-Fiction-Autor Cory Doctorow in Bezug auf Youtubes Haltung. „Ich bin
       ein Verfechter der Redefreiheit und glaube, dass die Antwort auf schlechte
       Rede noch mehr Rede ist. In Kanada haben wir Gesetze gegen Hassreden, aber
       die werden im allgemeinen von mächtigen Leuten genutzt, um gegen weniger
       mächtige Leute vorzugehen. Außerdem sind ‘Hassverbrechen’ in erster Linie
       Verbrechen und brauchen nicht den Status ‘Superverbrechen’, damit man
       erfolgreich strafrechtlich gegen sie vorgehen kann.“
       
       24 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Heinz Diebel
       
       ## TAGS
       
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