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       # taz.de -- UN-Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20: Rio, das war's
       
       > Das Treffen Rio+20 über Umwelt und Entwicklung endet im Vagen. Kann man
       > aus dem Scheitern dennoch einen Gewinn ziehen? Die Erdrettung beginnt
       > künftig regionaler.
       
   IMG Bild: Verhinderung der Subvention von Kohle und Öl? Das blieb in Rio ein frommer Wunsch. Kohleförderung in Changjiang, China.
       
       RIO DE JANEIRO taz | „Wenig ambitioniert“: So hatte UN-Generalsekretär Ban
       Ki Moon zu Beginn des Erdgipfels von Rio die Abschlusserklärung kritisiert.
       Einen „großen Erfolg“ vermeldete derselbe Ban Ki Moon am Tag darauf, die
       Abschlusserklärung nannte er eine „solide Basis“ – ohne dass sich
       irgendetwas am Text verändert hatte. Der Sinneswandel kam auf Druck der
       brasilianischen Gastgeber zustande.
       
       Nachdem auf dem dreitägigen Gipfel nichts mehr zu entscheiden war, stand
       der Kampf um die Deutungshoheit im Vordergrund. Das Abschlussdokument sei
       „alles andere als armselig“, sagte Bundesumweltminister Peter Altmaier
       (CDU), der deutsche Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) wollte gar
       „wichtige Wegmarken“ erkannt haben. Holger Lösch vom Bundesverband der
       Deutschen Industrie sah „gute Ansätze“ zum verstärkten „Greening“ der Welt.
       
       „Die Zukunft, die wir wollen“, so der Titel dieser Erklärung, verlangt
       „Engagement und Handeln, Dringlichkeit und Zusammenarbeit mit der
       Zivilgesellschaft“. Davon sei leider nichts zu sehen, erklärte ein Bündnis
       von Aktivisten und Nichtregierungsvertretern. Dieser andere Konsens reichte
       von Weltsozialforumsinitiator Oded Grajew über Brasiliens
       Exumweltministerin Marina Silva bis zur WWF-Chefin Yolanda Kakabadse.
       
       Sie geißelten die „bequemen Positionen der Regierungen“ und forderten die
       Streichung der Passage, in denen von der Beteiligung der
       „Zivilgesellschaft“ die Rede ist. „Wäre die Welt eine Bank, sie wäre längst
       gerettet“, meinte Martin Kaiser von Greenpeace, „die Seifenblase der Green
       Economy ist geplatzt, übrig bleibt ein Greenwashing“.
       
       In der Tat: Verbindliche Auflagen für Unternehmen, etwa zur Einhaltung von
       Menschenrechten, sucht man in der Abschlusserklärung vergebens.
       
       ## „Weder Wohltätigkeit noch Almosen“
       
       Die Kritik, dass es an der Zahlungsbereitschaft der Industrieländer fehlt,
       ist wohl der breiteste Konsens von Rio. „Wer kein Geld auf den Tisch legt,
       aber ambitioniertes Handeln fordert, ist inkohärent“, sagte der
       brasilianische Verhandlungsführer Luiz Alberto Figueiredo. „Wir verlangen
       weder Wohltätigkeit noch Almosen“, sagte Ecuadors Präsident Rafael Correa,
       „20 Prozent der reichsten Länder emittieren 60 Prozent, während die ärmsten
       Länder des unteren Fünftels für nicht einmal ein Prozent der CO2-Emissionen
       verantwortlich sind.“
       
       Wenn überhaupt, wird frühestens 2014 ein Nachhaltigkeitsfonds für die
       Länder des Südens eingerichtet. Bis zu einem Schutz der Meere außerhalb der
       Hoheitsgewässer wird es noch länger dauern. Auch ein Entwaldungsstopp für
       Tropenwälder bis 2020 wurde gestrichen. Was „nachhaltige Landwirtschaft“
       sein soll, bleibt diffus, dem Siegeszug der Gentechnik im globalen Süden
       wird nichts entgegengesetzt.
       
       Reichlich unverbindlich bleibt der Appell, die Subventionen für fossile
       Energieträger abzubauen. Ein Beschluss, zu einer dezentralen Versorgung der
       1,4 Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu Elektrizität haben, mit Wind-
       oder Solarkraft fehlen ebenso wie wie die Abkehr von Kohle- oder Atomkraft.
       
       Die Formulierung von Nachhaltigkeitszielen für alle Länder ab 2015 soll nun
       eine Arbeitsgruppe vorbereiten. Das hört sich nicht nach einem „großen
       Erfolg“ an – nicht mal nach einer „soliden Basis“.
       
       22 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gerhard Dilger
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Occupy-Bewegung
       
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