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       # taz.de -- Ermittlungspannen beim NSU: Rätseln um die „Operation Rennsteig“
       
       > Zwischen 1997 und 2003 versuchten vier Geheimdienste mit einer Großaktion
       > die rechte Szene in Thüringen und Bayern aufzuhellen. Und doch verpassten
       > sie die Anfänge des NSU.
       
   IMG Bild: Ein Jahr nach Beginn von „Operation Rennsteig“ tauchten Uwe Böhnhardt (l.) und Uwe Mundlos (r.) unter.
       
       BERLIN taz | In Thüringen sorgt eine ominöse Geheimdienstaktion weiter für
       Wirbel. Es geht um die nun erst bekannt gewordene „Operation Rennsteig“ von
       1997 bis 2003, in deren Rahmen das Bundesamt für Verfassungsschutz, das
       Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz und der Bundeswehrgeheimdienst
       MAD die Thüringer Neonaziszene ins Visier nahmen – und gleichwohl nicht
       bemerkten, dass just in dieser Zeit drei Jenaer Rechtsextremisten in den
       Untergrund gingen und die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“
       (NSU) bildeten.
       
       Weitere Brisanz bekommt die Aktion, weil nach Informationen der taz auch
       der bayerische Verfassungsschutz zumindest zeitweise an der „Operation
       Rennsteig“ beteiligt war. Bei einer Besprechung im März 1997 eruierten alle
       vier Geheimdienste in München Verbindungen des neonazistischen „Thüringer
       Heimatschutzes“ nach Bayern. Auf einer Liste mit 73 Zielpersonen finden
       sich auch die Namen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Die tauchten wenige
       Monate später ab und ermordeten als NSU von September 2000 an neun
       Migranten – fünf der Morde geschahen in Bayern.
       
       Nach der Besprechung der vier an der „Operation Rennsteig“ beteiligten
       Geheimdienste im März 1997 wurde festgelegt, dass das Bundesamt für
       Verfassungsschutz im „Thüringer Heimatschutz“ die Anwerbung von V-Leuten
       forciere und mit dem MAD „verstärkt Befragungen von involvierten Soldaten“
       durchführe. Der Hintergrund: Mehrere der ostdeutschen Neonazis leisteten
       ihren Wehrdienst in Bayern ab. Was daraus folgte und wie viele V-Leute die
       beteiligten Geheimdienste anwerben konnten, ist unklar. Der Thüringer
       Verfassungsschutz hatte freilich mit Tino Brandt bereits seit 1994 eine
       Topquelle in der Szene: den Chef des „Thüringer Heimatschutzes“ selbst.
       
       Die Aufregung über die „Operation Rennsteig“ war in Thüringen in den
       vergangenen Tagen groß, weil selbst Mitglieder der für die
       Geheimdienstkontrolle zuständigen PKK und des NSU-Untersuchungsausschusses
       gut sieben Monate nach Auffliegen der rechtsextremen Terrorzelle noch
       nichts von der Aktion gehört hatten.
       
       ## „Keine Bewertung“ durch Thüringens Innenminister
       
       Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) versprach am Donnerstag in
       einer Regierungserklärung zum Thema Rechtsextremismus, weiter Konsequenzen
       aus den Versäumnissen bei der erfolglosen Suche nach dem NSU-Trio zu
       ziehen. Die offenen Fragen zur „Operation Rennsteig“ beantwortete er
       allerdings nicht. „Eine eigenständige Bewertung der Angelegenheit“ sei ihm
       derzeit nicht möglich, weil die Akten „zum größten Teil“ bei den
       Bundesbehörden lägen. Diese seien in dieser Sache daher auch für eine
       „lückenlose Sachverhaltsaufklärung“ zuständig, so Geibert.
       
       Petra Pau, Obfrau der Linksfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss des
       Bundestags, forderte darauf am Donnerstag das Bundesamt für
       Verfassungsschutz auf, „alle Fakten auf den Tisch zu legen und dem
       Untersuchungsausschuss keinen einzigen V-Mann zu verschweigen“.
       
       21 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf Schmidt
       
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