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       # taz.de -- US-Kongress untersucht Milliardenverluste: Ein Großbanker hält Hof im Capitol
       
       > JP-Morgan-Chef James Dimon muss sich im US-Kongress wegen neuer
       > Milliardenverluste seiner Bank verantworten. Er argumentiert gegen jeden
       > Versuch staatlicher Kontrolle.
       
   IMG Bild: Der Bankchef James Dimon hat drei Milliarden Dollar verspekuliert.
       
       WASHINGTON taz | „Lügner“ – „Betrüger“. Das sind einige der Begrüßungen,
       als Jamie Dimon in den Raum kommt. Die RuferInnen – BankkundInnen, die aus
       ihrem eigenen Haus zwangsgeräumt worden sind, und Krankenschwestern aus
       Krankenhäusern, denen das Geld fehlt – werden abgeführt. Der Chef der
       größten Bank der USA, JP Morgan, bleibt.
       
       James Dimon, genannt Jamie, versucht, sich vor den Abgeordneten des
       Repräsentantenhauses für die spekulativen Verluste von (bislang) 3
       Milliarden Dollar in diesem Frühling zu rechtfertigen.
       
       Warum seine Bank derartige Risiken eingeht? Warum sie ihr Geld nicht
       stattdessen in Kredite an Unternehmen investiert? Und warum Dimon noch am
       13. April erklärt hat, die Aufregung sei ein „Sturm in der Teetasse“.
       
       ## Auch Aufsichtsbehörden sind geladen
       
       Außer dem Bankchef sind die RepräsentantInnen von fünf US-Aufsichtsbehörden
       zu dem Hearing des „Komitees für Finanzdienstleistungen“ geladen. Auch sie
       sollen erklären, wieso sie nichts haben kommen sehen.
       
       Jamie Dimon ist „Washingtons favorite banker“. Er kommt oft in die
       US-amerikanische Hauptstadt. Normalerweise trifft er Senatoren und
       Kongressabgeordnete beider Parteien sowie den US-Präsidenten – allein in
       dieser Legislaturperiode war Dimon schon 16-mal im Weißen Haus.
       
       Seine Bank unterstützt zahlreiche Volksvertreter in ihren Wahlkämpfen –
       insbesondere jene, die in den für Finanzen zuständigen Ausschüssen im
       Repräsentantenhaus und Senat sitzen – und betreibt Lobbying in eigener
       Sache.
       
       Seit 2008 geht es Dimon vor allem um ein Thema: Er will die staatliche
       Kontrolle über spekulative Bankengeschäfte möglichst gering halten.
       
       ## Im Repräsentantenhaus
       
       Im Augenblick ist die Situation für Dimon ein wenig anders. Sein
       vierstündiges Hearing am Dienstag im Repräsentantenhaus ist sein zweiter
       Termin im Kongress binnen einer Woche wegen der jüngsten Verluste seiner
       Bank.
       
       Auch die JP Morgan hat bei der Finanzkrise des Jahres 2008 von dem
       milliardenschweren Rettungsprogramm aus US-Steuergeldern profitiert. In den
       Vereinigten Staaten machen sich viele Sorgen, dass „es“ wieder passieren
       könnte.
       
       „Für die Steuerzahler und die Kunden der Bank entsteht keinerlei Verlust“,
       versichert Dimon am Dienstag erneut. Dass seine Bank die Verluste der
       Spekulationen in London verkraften könne, hat er bereits eine Woche zuvor
       vor dem Senat gesagt.
       
       Auch bei seinen AktionärInnen hat er sich bereits entschuldigt. In der
       Vorwoche haben einzelne SenatorInnen den vorgeladenen Jamie Dimon zu seiner
       Arbeit beglückwünscht.
       
       ## Die Bücklinge
       
       Und als wäre er ihr Vorgesetzter, entschuldigten sie sich bei ihm während
       des Hearings für die Belästigung und für die entstehenden
       Unannehmlichkeiten. Doch die Abgeordneten des Repräsentantenhauses am
       Dienstag fragen strenger nach.
       
       „Ich hatte total Unrecht“, entschuldigt sich Dimon für seine „Sturm in der
       Teetasse“-Bemerkung. Der Banker trägt Nationalfarben bei seinen Besuchen in
       Washington.
       
       Eine Krawatte in Rot-Weiß-Blau und das Siegel des Weißen Hauses auf seinen
       Manschettenknöpfen. Er versichert, dass er selbst erst im Mai von den hohen
       Verlusten der Londoner Abteilung seiner Bank erfahren habe.
       
       Noch während Jamie Dimon beim Hearing im Kongress sitzt, steigen die
       Verluste der Bank weiter. Die genaue Höhe will Dimon allerdings erst bei
       der Bekanntgabe seines Ergebnisses aus dem zweiten Quartal dieses Jahres
       veröffentlichen. Am 13. Juli.
       
       ## Gegen Kontrollen
       
       Wie auch andere führende Banker in den Vereinigten Staaten sieht es Dimon
       als Behinderung und Nachteil gegenüber der Konkurrenz, wenn
       US-Aufsichtsbehörden die spekulativen Geschäfte US-amerikanischer Banken
       weltweit kontrollieren.
       
       Mit diesen Argumenten betreibt er sein Lobbying gegen die
       „Dodd-Frank-Reform“ und andere Gesetze zur Kontrolle von Wall Street.
       
       Mehrere Abgeordnete glauben, das Problem könne in Zukunft mit einer
       „besseren Kommunikation“ vermieden werden. Dimon, bei dessen Bank weltweit
       240.000 Menschen arbeiten, versucht, die US-Abgeordneten zu beruhigen. Er
       will signalisieren, dass er alles unter Kontrolle hat.
       
       Seine Bank werde auch das zweite Quartal dieses Jahres mit „soliden“ Zahlen
       abschließen, versichert er. Neue Vorschriften zur Bankenkontrolle seien
       „unnötig“. Dimon: „Wir ziehen eine Jacke an und reparieren das.“
       
       20 Jun 2012
       
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