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       # taz.de -- Brasilien vor Gipfel Rio+20: Proteste gegen Mega-Staudamm
       
       > Während der „Völkergipfel“ in Rio mit Schaufeln und Hacken Aufmerksamkeit
       > sucht, arbeiten Diplomaten an einem Kompromissvorschlag für die
       > Konferenz.
       
   IMG Bild: Aktivisten öffneten symbolisch einen Kanal, um den natürlichen Flussverlauf wiederherzustellen.
       
       RIO DE JANEIRO taz | Mit einer Protestaktion gegen den Amazonas-Staudamm
       Belo Monte hat am vergangenen Wochenende der „Völkergipfel“ vor der
       Rio+20-Konferenz angefangen, die vom 20. bis 22. Juni in der
       brasilianischen Metropole Rio de Janeiro stattfindet. Während am Zuckerhut
       der legendäre Kayapó-Häuptling Raoni Metuktire die Ablehnung der Indígenas
       gegen das Megaprojekt bekräftigte, marschierten am Amazonas-Nebenfluss
       Xingu 200 Menschen mit Schaufeln, Hacken und Pickeln zur Baustelle. Dort
       öffneten die Aktivisten symbolisch einen Kanal, um den natürlichen
       Flussverlauf wiederherzustellen.
       
       Dann pflanzten sie 500 Acai-Palmen, um das durch die Bauarbeiten bereits
       beschädigte Flussbett wieder zu stabilisieren. Schließlich stellten sie 200
       Kreuze für die ermordeten Amazonas-Verteidiger auf. „Wir lassen uns nicht
       zum Schweigen bringen“, erklärte die Indigene Sheyla Juruna, „wir werden
       den Bau noch stoppen.“ Gegenüber der taz sagte der Staatsanwalt Felício
       Pontes in Rio, es seien noch vierzehn Prozesse gegen Belo Monte anhängig.
       Wegen des großes Drucks der Öffentlichkeit rechnet er sich gute Chancen
       aus, dass die Klagen gegen den „völlig irregulären, verfassungswidrigen
       Bau“ bald beim obersten Gerichtshof in Brasília landen.
       
       Das Milliardenprojekt ist das sinnfälligste Symbol für Brasiliens
       Wachstumsdrang und Energiehunger: 8.000 Arbeiter bauen 17 Stunden am Tag an
       dem drittgrößten Staudamm der Welt. 2015 soll die erste Turbine in Betrieb
       gehen, die hochsubventionierte Wasserkraft ist größtenteils für Stahl- und
       Aluminiumwerke bestimmt. Europäische Firmen wie Andritz, Siemens oder
       Daimler-Benz verdienen kräftig mit. Doch für Zehntausende bedeutet das
       Kraftwerk Zwangsumsiedlung und Umweltzerstörung, für weitere Staudämme in
       Amazonien hat die Regierung Anfang des Jahres Naturschutzgebiete
       verkleinert.
       
       Während die „Zivilgesellschaft“ an der malerischen Flamengo-Bucht im
       Zentrum Rios ein breites Themenspektrum abarbeitet, bemühen sich Brasiliens
       Topdiplomaten um einen Kompromissvorschlag für die Abschlusserklärung des
       UN-Gipfels. Dabei werde die größere Verantwortung des Nordens für die
       Umweltkrise bekräftigt, sagte der brasilianische Außenminister Antonio
       Patriota. Des Weiteren will Brasilien den Meeresschutz in den Vordergrund
       der Konferenz rücken.
       
       Über einen Fonds zur Finanzierung „nachhaltiger“ Entwicklungsprojekte in
       den Ländern des Südens unter ausdrücklicher Berücksichtigung des
       Technologietransfers soll nun bis zum Jahr 2014 eine Einigung erzielt
       werden. Die Industrieländer hatten einen Vorschlag zurückgewiesen, hierfür
       einen Fonds mit 30 Milliarden US-Dollar jährlich einzurichten.
       
       Brasilien könnte einen Rückschritt verhindern, doch die Abschlusserklärung
       werde kaum Lösungen für die Sorgen der Menschheit bieten, sagte Asad Rehman
       vom Umweltnetzwerk Friends of the Earth. Er kritisierte den „fehlenden
       politischen Willen, gegen die Klimakatastrophe, die wachsende Kluft
       zwischen Arm und Reich und ein unhaltbares Konsumverhalten anzugehen, das
       durch ein bankrottes Wirtschaftssystem gefördert wird“.
       
       18 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gerhard Dilger
       
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