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       # taz.de -- Rechte Propaganda im Kinderhort: Doppelleben als Erzieher und Neonazi
       
       > Im Hort „Villa Kunterbunt“ war der Hauptbetreiber des rechtsextremen
       > Internet-Portals „Thiazi-net“ als Erzieher angestellt. Rechtsextreme als
       > Erzieher gibt es immer wieder.
       
   IMG Bild: Was hat der Erzieher den Kindern vermittelt?
       
       HAMBURG taz | In der „Villa Kunterbunt“ herrscht große Erschütterung. Am
       Donnerstag nahm die Polizei den Erzieher Klaus R. fest. In dem Kinderhort
       in Barth konnte sich keine der Kolleginnen vorstellen, was die
       Staatsanwaltschaft Rostock ihrem einzigen männlichen Kollegen vorhält:
       einer der Hauptbetreiber des rechtsextremen Internetportals „Thiazi.net“ zu
       sein.
       
       In dem Portal soll in etlichen Liedern zum Hass auf Ausländer und Juden
       aufgestachelt und zu gewalttätigen Übergriffen aufgerufen worden sein. „Die
       Kolleginnen hätten nie gedacht, dass Herr R. ein Rechtsextremist ist, ihn
       hätten sie sich als Letzten als Rechten vorstellen können“, sagt Stefan
       Kerth (SPD), Bürgermeister der mecklenburg-vorpommerschen Stadt, der taz.
       
       Am frühen Morgen des 14. Juni waren auf Weisung der Staatsanwaltschaft
       Polizeikräfte gegen 26 vermutliche Betreiber des Forums in elf
       Bundesländern vorgegangen. Sie stehen im Verdacht der Bildung einer
       kriminellen Vereinigung. Außer Klaus R. kamen noch drei weitere Personen in
       Haft.
       
       In dem städtischen Hort für knapp 240 Kinder möchte die Leitung sich nicht
       äußern. „Die Leiterin wie alle Mitarbeiterinnen sind wirklich aufgelöst.
       Sie fragen sich auch, was sie vielleicht übersehen haben könnten“, sagt
       Kerth. Noch am Donnerstag kam der Bürgermeister mit den Mitarbeiterinnen zu
       einer Dienstbesprechung zusammen. Für Freitag wurde ein Elternabend
       geplant. „Die Eltern sind natürlich auch verunsichert“, sagt Kerth. R.
       wurde vom Dienst suspendiert.
       
       ## Mehrere Fälle in den letzten Jahren
       
       Seit einigen Jahren sind pädagogische Einrichtungen immer wieder mit
       rechtsextremen Mitarbeitern konfrontiert. Im niedersächsischen Lüneburg
       musste die Stadt 2010 gegen eine Erzieherin vorgehen, nachdem ihre
       rechtsextremen Verstrickungen bei der verbotenen „Heimattreuen Deutschen
       Jugend“ bekannt wurden.
       
       Eine Lehrerin im schleswig-holsteinischen Bredstedt musste ihren Dienst
       2011 quittieren, als eine Mutter gegenüber der taz offenlegte, dass ihr
       Sohn von der Frau für die NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“
       angeworben wurde. Heute hat sich der Junge von der Szene gelöst.
       
       In der NPD-Monatszeitung Deutsche Stimme rief bereits im April 2010 Hanna
       R. Schirmacher „Menschen mit nationaler Gesinnung“ auf, die Ausbildung zur
       „Sozialassistentin“ oder zur „Erzieherin“ anzustreben: „Wir dürfen nicht
       weiterhin die Bereiche Bildung und Erziehung den Etablierten überlassen“,
       schrieb sie und deutete an, dass mit dem Image der hilfsbereiten Pädagogin
       gesellschaftliche Akzeptanz gewonnen werden könnte.
       
       Auch in Hamburg und Sachsen-Anhalt waren sozialpädagogische
       Bildungsreinrichtungen durch rechtsextreme Auszubildende herausgefordert.
       Renate Bitzan, Professorin an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg und
       Gründungsmitglied des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus,
       empfehlt, bei Bewerbungsgesprächen genauer Einstellungen abzufragen.
       
       „Herr R. war seit 2005 angestellt“, sagt Kerth. Auch im Kinderhort in Barth
       wird jetzt überlegt: Was hat der Erzieher den Kindern vermittelt?
       
       15 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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