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       # taz.de -- Kommentar Stromkostendebatte: Billiger geht's nicht
       
       > Wenn die Strompreise steigen, dann, weil wir vor einen unvermeidlichen
       > Umbau des Energiesystems stehen, der zunächst Geld kostet. Wer ihn
       > verlangsamen will, handelt asozial.
       
       Teile der Union, der FDP und der alten Energiewirtschaft hämmern den
       Deutschen seit einem Jahr die Gleichung ein, dass die Energiewende sehr
       teuer wird. Im neuesten Spin stilisieren sie nun das zur sozialen Frage.
       Auf einmal interessieren sich FDP und Stromkonzerne für die Belange von
       Hartz-IV-Empfängern. Strom, so die Predigt, wird bald Luxusgut. Die Armen
       werden im Dunkeln sitzen. Deshalb hier noch mal zum Gegenhämmern:
       Energiewende = billiger.
       
       Zunächst eine simple Ursachenanalyse: Dass Privathaushalte 2012 fast
       doppelt so viel für ihren Strom zahlen wie vor zwölf Jahren, liegt nur zu
       einem geringen Teil am Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Preise für
       neuen Wind- und Sonnenstrom sinken seit Jahren, schneller als je gedacht.
       Dagegen wird Steinkohle, Erdgas, selbst die heimische Braunkohle, immer
       teurer. Steinkohle ist heute mehr als doppelt so teuer wie im Jahr 2000.
       
       Die logische Frage müsste also lauten: Wie kann man finanziell Schwache vor
       den explodierenden Kosten für fossile Rohstoffe schützen? Indem Deutschland
       sich unabhängig macht von fossilen Brennstoffen.
       
       Was auch kaum noch jemand beachtet: Mit der Stromrechnung wird über die
       Ökosteuer die Rentenkasse subventioniert, um die Lohnnebenkosten für die
       stromintensive Wirtschaft zu senken. Wie wäre es, das Geld zur Förderung
       erneuerbarer Energien einzusetzen? Dann würde die Diskussion lauten: Können
       wir uns weitere Rentenerhöhungen leisten?
       
       Zudem dringen Wissenschaftler mit einer simplen Botschaft seit Jahren nicht
       bis an die Öffentlichkeit durch. Strom aus fossilen Rohstoffen zu erzeugen,
       türmt einen Schuldenberg für künftige Generationen auf. Klimawandel und
       Abgase erzeugen Folgeschäden, die auf keiner Stromrechnung auftauchen. Das
       ist bequem, macht süchtig nach billiger Energie und verschleiert, wie
       zerstörerisch die bisherige Industriegesellschaft wirtschaftet. Würde man
       die Folgekosten einberechnen, wäre zumindest Windstrom schon heute die
       billigste Energieform.
       
       Wenn also die Strompreise steigen, dann, weil wir vor einen unvermeidlichen
       Umbau des Energiesystems stehen, der zunächst Geld kostet. Wer ihn
       verlangsamen will, handelt asozial. Wenn Hartzer nicht zahlen können, dann
       müssen ihre Sätze an die steigenden Energiekosten angepasst werden.
       Geringverdiender brauchen vernünftige Mindestlöhne, keine verzögerte
       Energiewende.
       
       13 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
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