URI: 
       # taz.de -- Neustart der Linkspartei: Riexinger und Kipping mit leisen Tönen
       
       > Das neue Führungsduo der Linken setzt auf Genossenschaften, deutliche
       > Worte gegen den Fiskalpakt und mehr Kommunikation mit der Parteibasis.
       > Doch es wird wieder krachen.
       
   IMG Bild: Riexinger und Kipping singen die Internationale. Differenzierte Töne?
       
       BERLIN taz | Es gibt beim ersten Auftritt der neuen Linksparteispitze in
       Berlin einen hörbaren Unterschied zu den Zeiten von Gesine Lötzsch und
       Klaus Ernst: Es ist leiser. Katja Kipping und Bernd Riexinger, die neuen
       Chefs, verzichten auf laut vorgetragene Attacken auf die Polit-Konkurrenz.
       
       Riexinger, bis vor kurzem Ver.di-Chef in Stuttgart, ist der Mann der
       Westlinken in der Parteiführung. Er hat keine Erfahrung mit der
       Hauptstadtpresse, war nie in einem Parlament und gibt zu, was sowieso alle
       wissen: Er ist als Ersatzmann ins Amt gekommen. Er habe, sagt er
       schwäbelnd, die Kandidatur von Oskar Lafontaine unterstützt, dann die von
       Sahra Wagenknecht.
       
       Aber er passe nicht in „Schubladen“. Er sei nie in der SPD gewesen - anders
       als Klaus Ernst. Der hatte sich zuletzt als Parteichef regelrecht als
       Lafontaines Vasall betätigt. „Ich bin kein Zögling von Lafontaine“, sagt
       Riexinger. Und verspricht: „Ich habe einen kooperativen Führungsstil“.
       
       Das neue Duo will nun in 120 Tagen die „Kunst des Zuhörens“ ausprobieren
       und als Kommunikator in der zerstrittenen Partei wirken. Die Sächsin Katja
       Kipping setzt auf neue Formen wie Blogs und internetgestützte
       Telefonkonferenzen, um so auch Funktionäre aus Rostock und München zu
       vernetzen. Also mehr Einfluss für die Genossen an der Basis.
       
       Programmatisch setzt die Linkspartei drei Schwerpunkte: Man will sich um
       prekär Beschäftigte „an Wischmopp und Laptop“ kümmern. Zweitens will man
       gegen den Fiskalpakt angehen. Das ist für die Linkspartei nicht
       überraschend, aber der Ton ist anders, differenzierter, mehr auf
       Kommunikation denn auf Belehrung gepolt.
       
       ## Fokus auf Rekommunalisierung und Genossenschaften
       
       Die „Gefahr des Fiskalpakts“, heißt es in dem Papier „Den Aufbruch
       organisieren“, sei vielen noch nicht bewusst. „Die Logik, wer Schulden hat,
       müsse sparen, verfängt.“ Das Duo will dagegen einen „Bewegungsratschlag“ in
       der EU organisieren und die Vermögenssteuer pushen.
       
       Drittens will sich die Linkspartei für die Rekommunalisierung von
       Energieunternehmen und mehr Genossenschaften einsetzen. Das Kommunale ist
       besonders der Ost-Linken wichtig, der die oft praxisferne
       Gesellschaftskritik der West-Linken auf die Nerven fällt. Mehr Einfluss für
       die Genossen und mehr Genossenschaften, so das Kurz-Programm der
       Linkspartei-Spitze.
       
       Der Kernfrage lautet, ob diese Doppelspitze die zerrissene Partei befrieden
       kann. Kipping ist eine Profipolitikerin, Riexinger ein zumindest im
       Berliner Politbetrieb unerfahrener Gewerkschaftsfunktionär. Kipping
       repräsentiert nicht direkt den Bartsch-Flügel, wie sich Riexinger
       positioniert ist offen. Es ist schwer absehbar, wie die beiden
       funktionieren werden, wenn es wieder kracht, in der Linkspartei. Und das
       wird es.
       
       ## Emanzipation von alten Partei-Eliten
       
       Allerdings verbindet das Duo auch einiges. Beide haben sich stets für
       soziale Bewegungen engagiert - Kipping für Erwerbsloseninitiativen und das
       bedingungslose Grundeinkommen. Riexinger hat als Ver.di-Chef in Stuttgart
       für Attac-Demos verlässlich mobilisiert.
       
       Nach dem Nominierungsprozedere haben manche in der Partei Riexinger schon
       als Strohmann für Lafontaine/Wagenknecht verortet. „Es ist in der Partei
       angekommen, dass ich ein eigenständiger Kopf bin“, sagte der Schwabe nun.
       Es hängt viel davon ab, ob er diesen Anspruch einlöst.
       
       13 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
   DIR Die Linke
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Linkspartei und ihr Haus: Die Zentrale
       
       Wer die Linkspartei verstehen will, muss ihre Bühne kennen: Das Berliner
       Karl-Liebknecht-Haus. Die Geschichte einer umkämpften Immobilie.
       
   DIR Neue Linke-Chefin Kipping: Das Ende der Rechthaberei
       
       Seit Katja Kipping die Linkspartei mit anführt, ist der Kleinkrieg der
       Flügel verschwunden. Nun soll die Partei auch im Wahlkampf verständiger
       auftreten.
       
   DIR Linke-Chef Riexinger auf Sommertour: Ein bissle Pep in Bartsch-Country
       
       Seit acht Wochen ist Bernd Riexinger Chef der Linkspartei. Bei seiner
       Sommertour durch Ostdeutschland trifft er auf jene, die eigentlich einen
       anderen Parteichef wollten.
       
   DIR Chefin der Linkspartei: Katja Kipping fordert Maximal-Lohn
       
       Die neue Chefin der Linkspartei sagt, alles über eine halbe Million Euro
       Einkommen soll der Staat kassieren. Ab 40.000 Euro im Monat gebe es kein
       Mehr an Lebensgenuss – meint sie.
       
   DIR Linkspartei-Chefin Katja Kipping: Die Aufsteigerin
       
       Katja Kipping ist seit zwei Wochen Chefin der schwierigsten deutschen
       Partei. Mit 34 Jahren. So jung hat noch nie jemand eine Partei geführt.
       
   DIR Debatte Linkspartei: Was nie zusammenpasst
       
       Die Linkspartei ist ein Fall von Verbrauchertäuschung: Ihre Hälften trennen
       Gräben, die auch die neue Führung nicht zuschütten wird. Aber immerhin ist
       das die sympathischere Lösung.
       
   DIR Nach dem Linke-Parteitag: Die ganze Partei fühlt sich gestärkt
       
       Die Medien sehen die Wahl von Bernd Riexinger als Sieg der Westlinken. Doch
       die Ostlinken sehen das anders: Aus der neuen Führung sei „durchaus etwas
       zu machen“.
       
   DIR Linke-Parteichef Bernd Riexinger: Der Gewerkschafter, der Bartsch schlug
       
       Im neuen Führungsduo der Linkspartei ist er der Westlinke: Bernd Riexinger,
       Schwabe und Freund sozialer Bewegung, setzt auf außerparlamentarische
       Politik.
       
   DIR Linke-Parteichefin Katja Kipping: Unangepasst jenseits der Strömungen
       
       Im neuen Führungsduo der Linkspartei ist sie die Ostlinke: Die neue
       Parteichefin Katja Kipping will Flügelkämpfe überwinden und neue
       Reformideen verwirklichen.
       
   DIR Kipping und Riexinger führen die Linke: Keine Demütigung, kein Frieden
       
       Neben Katja Kipping setzt sich Lafontaine-Mann Bernd Riexinger knapp gegen
       Dietmar Bartsch als Linken-Chef durch. Damit dürfte der Flügelkampf aber
       kaum vorüber sein.
       
   DIR Gysi- und Lafontaine-Reden beim Parteitag: „In der Fraktion herrscht Hass“
       
       Gregor Gysi hält die Spaltung der Linkspartei für möglich, Oskar Lafontaine
       sieht keine Probleme. Katharina Schwabedissens Verzicht auf eine
       Vorstandskandidatur bestätigt eher Gysis Sorgen.