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       # taz.de -- Ganztagsschulen: Neues Thema, alte Drohung
       
       > Die SPD ändert das Schulgesetz. CDU und FDP fürchten, dass Eltern nicht
       > mehr die Wahl haben, Kinder mittags zu Hause zu behalten. Scheuerl droht
       > mit Volksentscheid.
       
   IMG Bild: Droht wieder mit einem Volksentscheid: Schulreformgegner Walter Scheuerl.
       
       Die SPD plant für kommende Woche eine Schulgesetzänderung, die die Gemüter
       erregt. Es geht um den Paragraf 13 zur Ganztagsschule. Bisher sah dieser
       auch offene Formen vor, in der die Teilnahme der Kinder freiwillig ist. In
       der neuen Fassung taucht dieser Begriff nicht mehr auf. Außerdem wird ein
       Vorbehalt gestrichen, nachdem Ganztagsschulen „personelle, sächliche und
       räumliche Voraussetzungen“ erfüllen müssen.
       
       Schulreformgegner Walter Scheuerl sieht nun die Wahlfreiheit der Eltern in
       Gefahr und droht mit einem neuen Volksentscheid. SPD-Schulsenator Ties Rabe
       müsse seinen Gesetzentwurf ändern und klarstellen, dass Eltern weiter die
       Freiheit haben, ihr Kind nur halbtags zur Schule zu schicken.
       
       Ein entsprechender Änderungsantrag wird sowohl von der FDP-Fraktion als
       auch von der CDU-Fraktion eingebracht, der der parteilose Scheuerl
       angehört. Sollte die SPD sich am Donnerstag nicht einem dieser Anträge
       anschließen, so Scheuerl, „halte ich es für extrem wahrscheinlich, dass ein
       Volksentscheid durchgeführt wird“.
       
       Erst in dieser Woche hatte Schulsenator Ties Rabe (SPD) mitgeteilt, dass
       die Entwicklung der Ganztagsschulen rasant voran gehe. Im Schuljahr 2013/14
       würden 197 von 204 Grundschulen ein Ganztagsangebot haben. Dabei gibt es
       verschiedene Formen. 121 Schulen wählen das Modell GBS (Ganztägige
       Betreuung und Bildung an Schulen), dort bieten am Nachmittag Kita-Träger
       ein freiwilliges Betreuungsangebot an. Die anderen 76 Grundschulen werden
       Ganztagsschulen in schulischer Verantwortung. Hier gab es bisher im Gesetz
       die – nun wegfallende – Unterscheidung zwischen offener und gebundener
       Form.
       
       Die Anträge von CDU und FDP richten sich nicht gegen die GBS. Sie zielen
       darauf ab, dass für die Familien wohnortnah Schulen erreichbar sind, die
       kein Pflichtangebot am Nachmittag haben. Es fehle hier „jeglicher
       Rechtsanspruch“, sagt der CDU-Politiker Robert Heinemann. Außerdem will er
       den Qualitätsvorbehalt weiter im Gesetz verankert wissen. So verschiebe
       Rabe „die Verantwortung für die ungenügende Ressourcenausstattung künftig
       in die Schulen“.
       
       In der Schulbehörde versteht man die Aufregung nicht. Besagter Vorbehalt
       sei gestrichen, weil es Schulen geben könne, die der Meinung sind, dass sie
       mit Provisorien zurecht kämen, sagt Pressesprecher Peter Albrecht: „Die
       wollen wir nicht gesetzlich einschränken.“ Es sei zudem auch die
       Überzeugung des Senators, dass Eltern Wahlfreiheit haben müssten.
       
       „Eine Schulorganisation, die Eltern zwänge, eine Betreuung außerhalb des
       Unterrichts in Anspruch zu nehmen, wäre verfassungswidrig.“ Da dies im
       Grundgesetz steht, sei eine Klarstellung im Schulgesetz nicht erforderlich.
       Albrecht: „Die Behörde wird darauf achten, dass es in jedem Anmeldeverbund
       eine Schule mit freiwilligem Nachmittagsangebot gibt.“ Auch gebe es weiter
       die bisherigen Formen der offenen, gebundenen und teilgebundenen
       Ganztagsschulen, auch wenn das Gesetz sie nicht mehr erwähnt.
       
       Scheuerl nennt die Argumentation „absurd“. Es könne nicht sein, dass Eltern
       ihr Recht unter Berufung auf die Verfassung einklagen müssten: „Wenn Rabe
       die Wahlfreiheit ernst nimmt, muss er es auch ins Gesetz schreiben.“
       
       8 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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