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       # taz.de -- Krise in Griechenland: Jetzt auch noch der Ouzo
       
       > Viele Griechen können sich ihr Nationalgetränk nicht mehr leisten,
       > Ouzo-Hersteller kämpfen gegen die Pleite. Und das, wo ein guter Schnaps
       > wichtiger ist als je zuvor.
       
   IMG Bild: Nachrichten ohne Alkohol? Die Griechen haben es wahrlich nicht leicht.
       
       ATHEN taz | Die letzte Bastion im Widerstand gegen die nüchterne
       Makroökonomie wackelt. In Griechenland wird ein Drittel weniger Ouzo
       getrunken als vor fünf Jahren, moniert der griechische Spirituosenverband.
       Ob es daran liegt, dass die Zahl der Griechenlandurlauber, die Anis-Schnaps
       gerne als Vollnarkosemittel am Strand einsetzen, zurückgeht?
       
       Nein, der dramatische Umsatzeinbruch hat doch ganz andere Gründe, glauben
       Experten: Hohe Steuern, sowie die schlechte Zahlungsmoral des griechischen
       Staates würden selbst die stolzesten Ouzo-Produzenten in die Knie zwingen.
       
       Denn nicht nur werden Alkohol- und Mehrwertsteuer alle zig Monate erhöht,
       auch mit der längst fälligen Rückerstattung der Umsatzsteuer lässt sich der
       Fiskus besonders viel Zeit. Wat fott es, es fott, wie der Kölner als
       solcher zu sagen pflegt. Damit werden die ehrlichen Unternehmer in
       Griechenland doppelt bestraft.
       
       Nun hört man, dass in diesem Sommer erstmals über eine Million Touristen
       aus Russland erwartet werden. Das könnte theoretisch die brachliegende
       Ouzo-Industrie in Rekordzeit wieder ankurbeln. Allerdings weisen Kenner
       darauf hin, dass die dem Stereotyp nach trinkfesten Russen den würzigen
       Anis-Geschmack nicht besonders mögen. Nüchtern betrachtet bleibt da wohl
       nur noch ein Ausweg für die eher introvertierten Alkohol-Produzenten
       Griechenlands: Sie müssten endlich mehr exportieren.
       
       ## Franzosen sind Schuld
       
       Deutschland gilt schon heute als größter Ouzo-Markt Europas mit großem
       Potential, Bulgarien ist stark im Kommen und selbst in den Irak wird
       Anis-Schnaps exportiert. Schade nur, dass Frankreich und Italien, die
       großen Märkte des romanischen Westeuropa, anscheinend nicht mitmachen
       wollen beim erhofften Ouzo-Exportwunder. Der Franzose ist nun mal zu stolz,
       als dass er auf seinen aromatischen Pastis zugunsten einer Ouzo-Flasche
       verzichten würde. Daran wird auch Francois Hollande, der neue
       Hoffnungsträger Griechenlands, wohl nicht so schnell etwas ändern können.
       
       Und was ist mit dem Griechen selbst? Soll er krisenbedingt auf sein
       Nationalgetränk verzichten, obwohl er ein Gläschen heutzutage wohl nötiger
       hat als jemals zuvor? So sieht es leider aus. Eine Flasche Ouzo guter
       Qualität kostet im Supermarkt um die zehn Euro und diese Summe wäre noch
       vor zwei Jahren für den Durchschnittsverdiener nicht einmal der Rede wert.
       
       Doch mittlerweile müssen viele Menschen mit 400 oder 500 Euro im Monat über
       die Runden kommen, sofern sie überhaupt noch einen Job haben. Da muss der
       krisengebeutelte Familienvater doppelt und dreifach darüber nachdenken, ob
       man mit den zehn Euro eine Flasche holt oder lieber seiner Tochter eine
       Kinokarte fürs Wochenende spendiert.
       
       Auf dem Land wissen sich viele Familien dadurch zu helfen, dass sie ihren
       eigenen Schnaps brennen. Der ist dann umsonst. Allerdings schmeckt er oft
       auch so. Und was hat der griechische Staat davon? Jedenfalls keine höheren
       Steuereinnahmen.
       
       1 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Papadimitriou
       
       ## TAGS
       
   DIR Griechenland
       
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