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       # taz.de -- Debatte um Gaucks Äußerungen zum Islam: Sind Muslime „der Islam“?
       
       > Bundespräsident Gauck distanziert sich indirekt von Christian Wulffs
       > Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland. Cem Özdemir distanziert sich
       > von Gauck.
       
   IMG Bild: Ob er sich freut? Kaum war's still geworden, geht die Gauck-Debatte wieder los.
       
       BERLIN taz | Kaum aus dem Nahen Osten zurück, wird Bundespräsident Joachim
       Gauck von seinen Äußerungen der letzten Tage eingeholt. Grünen-Chef Cem
       Özdemir reagierte mit Unverständnis: „Wenn der Bundespräsident erklärt,
       dass Muslime, die hier leben, zu Deutschland gehören, dann gehört natürlich
       auch ihr Islam zu Deutschland“, sagte Özdemir den Ruhr Nachrichten. Gaucks
       Differenzierung zwischen Islam und gläubigen Muslimen könne er deshalb
       nicht nachvollziehen.
       
       In einem Zeit-Interview, das vor seiner Abreise geführt worden war und am
       Donnerstag erschienen ist, hatte sich Gauck dem berühmtesten Satz seines
       Amtsvorgängers, der Islam gehöre zu Deutschland, nicht anschließen wollen.
       Zwar begrüßte er dessen „Intention“: Wulff habe die Bürger aufgefordert,
       sich der Wirklichkeit zu öffnen. Und die sehe so aus, „dass in diesem Lande
       viele Muslime leben“. Er könne aber auch diejenigen verstehen, die fragten:
       „Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die Aufklärung erlebt,
       gar eine Reformation?“, sagte Gauck. Er sei „hoch gespannt auf den
       theologischen Diskurs innerhalb eines europäischen Islam“.
       
       Der CSU-Politiker Uhl lobte Gauck dafür. „Nicht der Islam gehört zu
       Deutschland, sondern die Muslime, die hier auf Dauer leben“, sagte Uhl der
       Passauer Neuen Presse. „Der Islam bleibt für uns eine fremde Religion,
       dennoch sind die Muslime herzlich willkommen“, fügte er an. Pikanterweise
       sah das sein Parteikollege, Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU), auf
       dem Kulturfest der staatstreuen türkischen Ditib-Gemeinde in Nürnberg,
       jüngst anders. Vor etwa 1.000 Zuhörern hatte er dort im Festzelt gesagt:
       „Der Islam ist ein Bestandteil Bayerns“, und sich damit gegen die Mehrheit
       in seiner Partei gestellt. Muslimische Verbände zeigten sich bemüht, eine
       neue Debatte über das Thema zu vermeiden.
       
       Der Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, mahnte, die
       Wortwahl des Staatsoberhaupts nicht überzubewerten. Nur weil er nicht exakt
       die Wortwahl seines Vorgängers übernehme, sei dies keine Abkehr von dessen
       Position. „Der Bundespräsident bricht nicht mit bisherigen Vorstellungen,
       sondern führt die begonnene Debatte als kluger Moderator fort“, meint auch
       Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime. „Der erneute Erregungs-Remix“ sei
       dabei jedoch „nur hinderlich“.
       
       ## Keine deutlichen Worte in Nahost
       
       Am letzten Tag seiner Nahost-Reise hatte Joachim Gauck das Westjordanland
       besucht. Jene Palästinenser, die von dem Freiheitsrhetoriker und ehemaligen
       DDR-Dissidenten deutliche Worte erwartet hatten, wurden allerdings
       enttäuscht. Bei der Eröffnung einer Mädchenschule im Dörfchen Burin hatte
       der örtliche Gouverneur vom Leid unter Israels Besatzung berichtet und von
       seiner Hoffnung, der israelische Grenzwall würde bald fallen wie die
       Berliner Mauer.
       
       Doch bei einer Pressekonferenz mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud
       Abbas in Ramallah vermied Gauck seine sonst so typische Freiheitsrhetorik
       und sprach zurückhaltend nur von der „Siedlungsfrage“, in der er in Israel
       „Zurückhaltung“ angemahnt habe. Auf eine schärfere Kritik wollte sich Gauck
       nicht einlassen. „Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass Israel es
       ertragen könnte, so einen richtigen Lehrer aus Deutschland zu haben“, sagte
       er zur Begründung.
       
       1 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
       
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