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       # taz.de -- Hamburger Regionalkonferenz der Linken: Im Kandidatinnenkarussell
       
       > In Hamburg präsentieren sich drei Kandidatinnen für den Bundesvorstand
       > der Linkspartei. Applaus gibt es für Katja Kipping, Schelte für den
       > abwesenden Dietmar Bartsch.
       
   IMG Bild: „Wer braucht denn mehr als 40.000 Euro pro Monat?“, fragt Katja Kipping in Hamburg.
       
       HAMBURG taz | Es sind nicht die aktuellen Kandidatinnen, nein, es ist der
       abtretende Bundesvorsitzende, der an diesem Dienstagabend in Hamburg die
       Bühne beherrscht. Unter maximalem Sauerstoffverbrauch poltert Klaus Ernst
       sich auf der Regionalkonferenz der Linken durch seine Rede. Er beschwört
       den solidarischen Umgang miteinander – um im nächsten Satz jene
       abzuwatschen, die wie Bodo Ramelow („der wirre Genosse“) und Lothar Bisky
       den Zustand der Partei oder Ernst selbst kritisiert haben.
       
       Ernst plädiert für einen Bundesvorstand, „der vor allem die verlorenen
       Stimmen im Westen zurückholt“, und macht deutlich, dass seine
       Traumkandidatin Sahra Wagenknecht ist, die er „vorgeschlagen“ habe. Ob
       Wagenknecht noch in letzter Minute aufs KandidatInnenkarussell aufspringt,
       das ist die große Frage an diesem Abend. „Wenn sie kandidiert, dann wird
       sie auch gewählt“, prophezeit ein Hamburger Parteifunktionär.
       
       Bevor Klaus Ernst von den rund 120 versammelten Parteimitgliedern mit
       frenetischem Beifall verabschiedet wird und mancher in der Runde verkünden
       wird, er würde dieses bayerische Urviech eigentlich gern als Parteichef
       behalten, teilt Ernst noch schnell gegen die Sächsin Katja Kipping aus:
       „Lasst uns unser Programm umsetzen, statt neue umstrittene Themen zu
       präsentieren!“
       
       Kipping hatte zuvor für einen „Einkommenskorridor“ plädiert, mit einer
       „Grundabsicherung nach unten und einer Deckelung nach oben“. „Wer braucht
       denn mehr als 40.000 Euro pro Monat?“, fragt sie rhetorisch in den Saal.
       Dazu, wie so ein Instrument politisch und rechtlich durchgesetzt werden
       könnte, sagt sie aber nichts.
       
       ## Nur eine schafft es die Zuhörer mitzureißen
       
       Dietmar Bartsch ist an diesem Dienstagabend aus Termingründen nicht da.
       Drei der aussichtsreicheren Kandidatinnen für den Parteivorsitz stellen
       sich hier zum Schaulaufen auf der Hamburger Generalprobe. Hauptvorstellung
       wird der Göttinger Parteitag am Wochenende sein. Von den dreien erntet
       Kipping, die alleine ihr Tandem mit Katharina Schwabedissen vorstellt, den
       meisten Beifall.
       
       Als einzige Kandidatin schafft sie es, die Zuhörer zumindest punktuell
       mitzureißen. Später erklärt sie, dass sie in Göttingen „sehr deutlich“
       machen werde, dass sie unbedingt mit Schwabedissen die Doppelspitze bilden
       will. Sie sagt aber auch, beide würden akzeptieren, wenn das Votum der
       Delegierten das Duo auseinanderreißt.
       
       Die Hamburgerin Dora Heyenn und die Zwickauerin Sabine Zimmermann erhalten
       artigen Applaus für solide Bewerbungsreden. In der anschließenden
       Aussprache dreschen einige Redner vor allem auf Bartsch ein. Dieser habe
       „Unterwürfigkeit geatmet“ – mit ihm lasse sich „kein Wahlkampf führen, der
       den ganzen Charme des Antikapitalismus“ ausstrahlt, brüllt ein entfesselter
       Dieter Dehm in das Mikro. Die Menge tobt.
       
       ## „Zieh deine Kandidatur zurück“
       
       Dora Heyenn erntet von einem Hamburger Genossen Kritik dafür, dass sie als
       Bundesvorsitzende Amt und Mandat nicht trennen und den Fraktionsvorsitz in
       der Hamburgischen Bürgerschaft behalten will. Sein Plädoyer: „Dora, zieh
       deine Kandidatur zurück, wir brauchen dich hier in Hamburg!“
       
       Eine Aufforderung, der Heyenn erwartungsgemäß nicht nachkommt. Sie wird,
       wie Kipping und Zimmermann, auf dem Parteitag erst für den Frauenplatz und
       im Falle eines Misserfolgs danach gegen Bartsch für den Platz ohne
       Geschlechtervorgabe kandidieren. Vorausgesetzt, sie erhält im ersten
       Wahlgang ein achtbares Ergebnis. In ihren 28 Jahren in der SPD, sagt
       Heyenn, habe sie gelernt, sich „Niederlagen einzuteilen“.
       
       30 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
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