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       # taz.de -- Behördenwillkür vertreibt EU-Unternehmen: Chinas Attraktivität sinkt
       
       > Die Löhne haben sich in einigen Regionen Chinas in kurzer Zeit mehr als
       > verdoppelt, die Behörden machen, was sie wollen. Viele EU-Firmen
       > überlegen, in andere Länder auszuweichen.
       
   IMG Bild: Imagekorrektur mit Kuscheltier auf der Hannover Messe.
       
       PEKING taz | China bietet Rekordumsätze, zweistellige Wachstumsraten und
       einen weiter vielversprechenden gigantischen Binnenmarkt – dennoch ist die
       Stimmung unter vielen europäischen Unternehmen im Reich der Mitte schlecht.
       
       Wie aus einer aktuellen Studie der EU-Handelskammer in Peking hervorgeht,
       erwägt jedes fünfte europäische Unternehmen in der Volksrepublik derzeit
       eine Abwanderung in ein anderes Land. „Das würde ich als ziemlich
       alarmierend betrachten“, sagte EU-Kammerpräsident David Cucino am Dienstag
       bei der Vorstellung der Studie.
       
       Die beiden am häufigsten genannten Beschwerden: Rechtsunsicherheit und die
       Willkür der Behörden. 22 Prozent beklagten, dass Gesetze und Vorschriften
       nach wie vor uneindeutig seien und von den Verwaltungen vor Ort oft
       willkürlich ausgelegt würden.
       
       Jedes zweite europäische Unternehmen gab an, dass ihm wegen solcher
       behördlicher Hürden mögliche Geschäfte entgangen seien. Zwei Drittel von
       ihnen beklagten sogar, ihnen gingen deshalb zehn Prozent ihres
       Geschäftsvolumens durch die Lappen.
       
       ## Probleme für kleine und mittelständische Firmen
       
       Die EU-Kammer erhebt die Umfrage jedes Jahr. Geantwortet haben dieses Mal
       550 europäische Firmenvertreter. Vor allem kleine und mittelständische
       Unternehmen mit weniger als fünf Jahren China-Erfahrung erwägen demnach
       eine Produktionsverlagerung (29 Prozent). Sie ziehen als Alternative Länder
       Südostasiens – etwa Vietnam – in Betracht. Große Unternehmen mit 5.000
       Mitarbeitern und mehr teilen diese Einschätzung sehr viel weniger (17
       Prozent). Für sie bleibt die Volksrepublik ein attraktiver
       Produktionsstandort.
       
       Was als Klagepunkt der europäischen Unternehmen im Vergleich zu den Studien
       der Vorjahre immer stärker in den Vordergrund rückt, sind die steigenden
       Arbeitskosten. Tatsächlich haben sich die Löhne vor allem in den boomenden
       Küstenprovinzen binnen kurzer Zeit mehr als verdoppelt.
       
       Verdiente ein einfacher Industriearbeiter vor zwei Jahren im Schnitt noch
       etwa 1.500 Yuan im Monat (rund 190 Euro), sind die Löhne inzwischen auf
       umgerechnet 400 Euro gestiegen. Facharbeiter in Peking, Schanghai und am
       Perlflussdelta sind unter 1.100 Euro kaum mehr zu finden.
       
       Konkret heißt das: Für Unternehmen, die vor allem aufgrund niedriger
       Arbeitskosten nach China gekommen sind, lohnen sich Investitionen in der
       Volksrepublik immer weniger. Firmen, die hingegen auf den weiter stark
       wachsenden Absatzmarkt setzen, nehmen die Behördenwillkür weiter in Kauf.
       
       30 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Lee
       
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