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       # taz.de -- Pkw-Maut und Verkehrssünderkartei: „Nicht die Melkkuh der Nation“
       
       > Verkehrsminister Ramsauer will in der schwarz-gelben Koalition rasch eine
       > Maut-Vignette durchsetzen. Die FDP tritt auf die Bremse. Außerdem will er
       > die Flensburger Kartei erweitern.
       
   IMG Bild: Nein, Peter Ramsauer spielt nicht bei Glücksrad mit. Hier geht es um Flensburger Punkte.
       
       BERLIN afp/dpa | Peter Ramsauer hat ein ziemlich brisantes Papier in seiner
       Schublade liegen. Es zeichnet Wege auf, um ein Milliardenloch im Etat für
       Renovierung und Neubau von deutschen Straßen zu stopfen. Dazu gehört auch
       eine Pkw-Maut, am besten eine Papier-Vignette. „Sie ist schnell umsetzbar,
       verursacht die geringsten Kosten und ist den meisten Deutschen aus den
       Nachbarländern bekannt“, betont der CSU-Politiker mit Blick auf Österreich
       und die Schweiz.
       
       Brisant ist das Papier nicht nur, weil es Autofahrer wenig freuen dürfte,
       die ohnehin schon über hohe Benzinpreise stöhnen. Sondern auch, weil es
       neuen Unfrieden in der schwarz-gelben Koalition sät. Ramsauer möchte, dass
       Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und FDP-Chef Philipp Rösler schon bei ihrem
       Treffen am 4. Juni im Kanzleramt das Papier mit Maut-Vorkämpfer und
       CSU-Chef Horst Seehofer beraten.
       
       Ramsauer provoziert damit Ärger bei der FDP. Deren Genersekretär Patrick
       Döring ist nur gesprächsbereit, wenn die CSU im Gegenzug ihre Pläne für das
       Betreuungsgeld beerdigt. Man könne nicht hier Milliarden ausgeben und auf
       der anderen Seite die Autofahrer abkassieren, sagt er. Fraktionschef Rainer
       Brüderle lässt wissen: „Die Autofahrer sind nicht die Melkkuh der Nation.“
       CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt geißelt den FDP-Widerstand: „Ich
       weiß wirklich nicht, was besonders liberal daran sein soll, dass deutsche
       Autofahrer im Ausland bezahlen sollen, und ausländische Autofahrer in
       Deutschland aber nicht“.
       
       Die CSU muss im nächsten Jahr bei der Landtagswahl in Bayern gegen die SPD
       bestehen, die sich mit Münchens Oberbürgermeister Christian Ude als
       Spitzenkandidaten große Chancen ausrechnet. Doch ob sich mit dem Maut-Thema
       punkten lässt, wenn nicht klar ist, ob deutsche Autofahrer an anderer
       Stelle auch entlastet werden? Die CSU wurmt es, dass bisher Österreicher
       umsonst Bayerns Autobahnen nützen können.
       
       ## Der Widerstand bröckelt
       
       Ramsauer sieht ungeachtet des neuen CSU/FDP-Streits nun den Widerstand
       bröckeln, frei nach dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein. Denn das
       Problem fehlender Gelder wird bleiben. Bis 2015 veranschlagt allein der
       Bund für Instandhaltung, Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen
       20,5 Milliarden Euro. Angesichts vieler maroder Brücken dürfte das nicht
       reichen, zudem ist die Finanzierung nur teilweise gesichert. Ramsauer
       konnte zwar für 2012 zusätzlich eine Milliarde erkämpfen. Er sagt aber:
       „Das verschafft nur eine Atempause, zum Durchatmen reicht es noch nicht“.
       
       Daher sieht er in der Maut-Vignette das richtige Instrument. Eine
       entfernungsabhängige, satellitengestützte Abgabe wie bei der Lkw-Maut wäre
       nach Meinung Ramsauers deutlich teurer und die Einführung würde viel länger
       brauchen. Aber auch der mächtige ADAC ist strikt gegen eine Maut – und
       betont, dass der Staat beim Liter Super bereits mit rund 90 Cent zuschlage.
       Pro Jahr würden rund 53 Milliarden Euro an Mineralöl-, Kfz- und anteiliger
       Mehrwertsteuer sowie Lkw-Maut in die Staatskasse fließen – aber nur ein
       Teil davon komme anschließend auch der Instandhaltung und dem Bau von
       Straßen tatsächlich zugute.
       
       Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses
       des Bundestags, streitet Finanzierungsprobleme nicht ab. Er sieht die CSU
       aber bei ihrem seit Monaten erhöhten Maut-Druck, der nun in der Vorlage
       eines konkreten Papiers gipfeln soll, auf einem Ego-Trip. „Herr Ramsauer
       hat im sogenannten großen Deutschen Eck seinen Wahlkreis“, so Hofreiter.
       Österreicher, die von Salzburg nach Innsbruck fahren, würden die Route über
       deutsche Straßen nehmen, weil für sie sonst der Weg länger wäre. „Um die
       paar zu treffen, will die CSU eine sozial ungerechte Lösung“, meint er.
       
       Denn egal, ob der Bürger viel oder wenig fährt, müssten bei der
       Vignettenlösung alle das Gleiche zahlen. Sinnvoller sei es, über eine
       Ausweitung der Lkw-Maut nachzudenken, denn Lastwagen würden auch die
       größten Schäden verursachen, sagt Hofreiter. Man könne zudem für
       Innenstädte über eine City-Maut nachdenken. Eine Studie aus Ramsauers Haus
       habe sogar festgestellt, dass die Einführung einer Maut stark den Verkehr
       von der Autobahn in Ortschaften verdränge. „Die Leute, die an den Straßen
       wohnen, werden sich bedanken“. Wenn, dann sehen die Grünen nur in einer
       satellittengestützen Maut die einzig faire Variante, weil tatsächlich
       gefahrene Kilometer abgerechnet werden.
       
       Seit Monaten macht CSU-Chef Seehofer massiv Druck für eine Maut, wenngleich
       Kanzlerin Merkel betont, das sei kein Projekt für diese Legislaturperiode.
       Auch im Koalitionsvertrag wurde eine Pkw-Maut nicht vereinbart – anders als
       das Betreuungsgeld für Mütter, die ihre Kinder zu Hause erziehen. In
       Österreich kostet die Maut-Vignette 77,80 Euro, zehn Tage Autobahnnutzung
       acht Euro. In der Schweiz sind 33 Euro zu berappen. Ramsauer hat zu
       erkennen gegeben, dass er sich eine Maut in Höhe des österreichischen
       Modells vorstellen kann. Die Kanzlerin dürfte sich auf die Lektüre seines
       Papiers nicht freuen.
       
       ## Reform der Verkehrssünderkartei
       
       Außerdem äußerte sich Ramsauer in der Bild am Sonntag zur
       Verkehrssünderkartei. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und Fahren unter
       starkem Alkoholeinfluss sollen künftig ebenfalls mit Punkten in Flensburg
       geahndet werden. Die Reform der Kartei werde noch verschärft: „Es soll eine
       dritte Kategorie mit drei Punkten geben: und zwar für Straftaten.“
       
       Demnach soll es künftig etwa für „unerlaubtes Entfernen vom Unfallort,
       Fahren im Vollrausch, unterlassene Hilfeleistung oder schwere Nötigung
       durch zu dichtes Auffahren“ drei Punkte geben, die zudem erst nach zehn
       Jahren verjährt sind. Da im Zuge der Reform schon bei acht Punkten die
       Fahrerlaubnis abgegeben werden muss, dürfte der Plan „die Verkehrsrowdys
       zur Räson bringen“, sagte Ramsauer. Die Nachbesserungen sind laut dem
       Minister das Ergebnis eines Internetforums, an dem sich 30.000 Menschen
       beteiligt hatten.
       
       Das neue Punktesystem, zu dem dann auch die Ahndung von Straftaten im
       Straßenverkehr gehören soll, ist derzeit noch ein Diskussionsvorschlag.
       Noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst 2013, soll eine
       Gesetzesvorlage erarbeitet werden. Das neue System könnte dann 2014 in
       Kraft treten.
       
       28 May 2012
       
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