URI: 
       # taz.de -- 6. Welt-Skeptiker-Konferenz: Obacht vor Pseudoskeptikern
       
       > Geglaubt wird nur, was sich wissenschaftlich nachweisen lässt. Denn:
       > „Zyniker sind wir nicht!“, so der Konsens auf dem Kongress in Berlin.
       
   IMG Bild: Kein Quadratzentimeter der menschlichen Haut ohne Akupunkturpunkt.
       
       Die fröhliche Wissenschaft, es gibt sie. Gleich am Eingang zur „6.
       Welt-Skeptiker-Konferenz“ am vergangenen Wochenende in Berlin erhielten
       alle der etwa 300 TeilnehmerInnen je einen gefälschten Scheck über eine
       Million Dollar. Die James Randi Educational Foundation verspricht, ihn in
       einen echten zu verwandeln für jeden, der nachweisbar über paranormale
       Fähigkeiten verfügt.
       
       Der in den USA lebende James Randi selbst, ein kleiner alter Herr mit
       buschigem langem weißem Bart führte einige Entfesselungstricks vor. Mit
       deutlicher Freude verschwieg er, wie sie funktionieren. Seinen Scheck hat
       bisher noch niemand eingelöst, denn Randi selbst ist Meister im Überführen
       von Hokuspokus aller Art. Er war es, der den Löffelverbieger Uri Geller
       entlarvte.
       
       SkeptikerInnen bestünden ja bloß auf einem wissenschaftlichen Beweis für
       jeden Wunderglauben und ließen sich gern überzeugen – so lautete der
       Konsens auf dem Kongress: „Zyniker sind wir nicht!“ Sogenannte Wunderheiler
       sind es immerhin oft, setzen die Gesundheit ihrer Anhänger aufs Spiel und
       bringen diese auch um ihre letzten Ersparnisse.
       
       Ein Skeptiker-Kampfruf lautet: „Quacksalberei!“ So akzeptieren die meisten
       in der Community zwar Kräuterheilkunde, führen aber die Wirkung der
       Homöopathie auf einen Placebo-Effekt zurück und die der Akupunktur auf die
       Ausschüttung von Endorphinen beim Hautkontakt. Der Arzt, Schmerztherapeut
       und bis vor kurzem praktizierende Akupunkteur Benedikt Matenaer aus
       Westfalen meinte in seinem Vortrag: wären alle Akupunkturlehren
       gleichzeitig gültig, die chinesische, die koreanische, japanische und so
       weiter, dann bliebe kein Quadratzentimeter der menschlichen Haut ohne
       Akupunkturpunkt. „Und was“, fragte er, „geschieht, wenn eine Mücke gerade
       in einen solchen Punkt sticht?“
       
       Matenaer projizierte dazu flugs ein passendes Foto an die Wand. Überhaupt
       zeichneten sich die meisten der über zwei Dutzend Vorträge auf dem Berliner
       Kongress durch Selbstironie und fantasievolle Power-Point- Illustrationen
       aus.
       
       Gerd Antes, Leiter des deutschen Cochrane-Zentrums, zog in Berlin aber auch
       eine erschreckende Bilanz für die Schulmedizin: Der größte Teil der
       Medikamentenstudien hierzulande wird entweder gar nicht oder nur lückenhaft
       veröffentlicht.
       
       Begründet wurde die Skeptikerbewegung 1976 in den USA. Dort und in
       Australien gibt es heute eine ganze Reihe international beliebter
       skeptischer Internet-Radiopodcasts. Auch in Deutschland existiert jetzt
       eine solche Sendung. GWUP, Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung
       von Parawissenschaften, nennt sich die deutsche Skeptikerorganisation.
       
       Ihre Mitglieder sind wissenschaftlich Interessierte aus verschiedensten
       Berufen. Dornen in deren Augen sind zum Beispiel alle Kreationisten (diese
       glauben, dass Gott die Menschen fix und fertig in seine Playmobilstation
       stellte) und Klimaskeptiker (sie leugnen die Erderwärmung). Die
       GWUP-Meinung dazu: „Vorsicht, bezahlte Pseudoskeptiker!“
       
       Was in der Mitte Europas vielleicht als Kampf auf gesellschaftlichen
       Nebenschauplätzen abgetan werden kann, nimmt sich an seinen Rändern und in
       Entwicklungsländern dramatisch aus. Hexerei in ihren dunkelsten Varianten
       dokumentierte in Berlin der Religionswissenschaftler Leo Igwe (41) aus
       Nigeria mit einer selbst gefertigten Fotowand.
       
       „Viele Menschen in meiner Heimat sind hoch verschuldet bei – je nach Region
       – christlichen, traditionellen oder islamischen Wunderheilern. Als
       stärkstes Mittel, um zu Reichtum zu gelangen, empfehlen diese bisweilen die
       Tötung oder Verstümmelung eines unbeteiligten Menschen“, erzählt er.
       
       Auf seiner Plakatwand findet sich ein Schnappschuss zweier kleiner,
       merkwürdig hellhäutiger Jungen. Der eine steht auf Krücken, der andere ist
       einarmig. Igwe erklärt: „Albino-Gliedmaßen gelten bei den Wunderheilern im
       benachbarten Tansania als besonders wirksame Talismane.“
       
       24 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Kerneck
       
       ## TAGS
       
   DIR Fake News
   DIR Homöopathie
   DIR Homöopathie
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Jahrestreffen der „Skeptiker“: Zweifeln hält gesund
       
       „Skeptiker“ ziehen gegen Geistheilung, Homöopathie und andere
       Pseudowissenschaften zu Felde. Bekämpft wird alles, was nicht in ihr
       Weltbild passt.
       
   DIR Pro & Contra Homöopathie: Pseudo-Medizin oder Profi-Politik?
       
       Am Donnerstag beginnt in Bremen der diesjährige Homöopathie-Kongress – mit
       Gesundheitssenatorin Quante-Brandt (SPD) als Schirmherrin. Ein Skandal?
       
   DIR Ex-Homöopathin über Globuli: „Es war mein Lebenstraum“
       
       Natalie Grams hat ihre homöopathische Praxis geschlossen. Jetzt leitet sie
       das kritische „Informationsnetzwerk Homöopathie“.
       
   DIR US-Milliardäre sponsern Geheimnetzwerk: Viel Geld gegen die „Klimalüge“
       
       Konservative US-Milliardäre sponsern systematisch den Kampf gegen die These
       der vom Menschen verursachten Erderwärmung – ganz geheim.
       
   DIR Sachsens FDP ist klimaskeptisch: Wettern gegen die „Ökohysterie“
       
       Sachsens FDP düpiert die Bundespartei mit seltsamen Thesen über den
       Klimawandel. Jetzt sammeln sich die Skeptiker in Dresden zur „alternativen
       Klimakonferenz“.
       
   DIR Radiosendung zu Übersinnlichem: Von Aliens und Wahrsagern
       
       Wie ein junges Paar mit einer eigenen Internet-Rundfunksendung sein Leben
       umkrempelte. „Hoaxilla“ gibt es jetzt seit zwei Jahren und hatte mehr als
       eine Million Downloads.