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       # taz.de -- Kolumne American Pie: Kobe Bryants neue Gefühle
       
       > L.A. Lakers gegen Oklahoma City – ein Duell der Gegensätze. In den
       > NBA-Playoffs wird Großmaul Kobe Bryant von bescheidenen
       > Schwiegermuttertypen besiegt.
       
   IMG Bild: Unter dem Korb nur schwer zu stoppen: Kobe Bryant (r.).
       
       „Das ist ein völlig neues Gefühl für mich“, sagte ein ungläubiger Kobe
       Bryant auf der Pressekonferenz nach dem Spiel seiner Los Angeles Lakers am
       Montagabend in Oklahoma City. Soeben war die traditionsreiche Mannschaft
       aus Kalifornien aus dem Titelrennen ausgeschieden – selbst 42 Punkte der
       Basketball-Ikone Bryant halfen nicht. 90:106 aus Lakers-Sicht stand am Ende
       des Auswärtsspiels auf der Anzeigetafel, 1:4 in der Playoff-Serie.
       
       „Es ist sehr merkwürdig – ich bin nicht der Geduldigste, genau wie der
       Klub. Wir wollen gewinnen, und wir wollen jetzt gewinnen“, wiederholt
       Bryant das Mantra der Lakers, mit denen er bereits fünf Meisterschaften
       nach Los Angeles holen konnte, die letzte im Jahr 2010. „Wir werden diese
       Schwierigkeiten aber überwinden, so, wie wir das schon immer getan haben.“
       
       Alle Kraftmeierei des Teams mit den markanten gold-violetten Leibchen war
       umsonst. Kurz vor Ende der regulären Saison streckte Forward Metta World
       Peace, bis zur kreativen Namensänderung als Ron Artest bekannt, in der für
       ihn gewohnt rüpelhaften Weise Oklahoma-City-Aufbauspieler James Harden mit
       einem Ellenbogenschlag nieder.
       
       Die Attacke soll unabsichtlich gewesen sein – zumindest nach eigener
       Aussage. In den Playoffs nun war es Bryant, der immer wieder zu verbalen
       Sticheleien ansetzte. Er könne nicht verteidigt werden, und schon gar nicht
       von den Spielern der Oklahoma City Thunder, wiederholte er.
       
       ## Ego-Zocker mit Vertrauen ins Management
       
       Der 33-Jährige gab auf dem Parkett den Alleinunterhalter mit oft zu
       großzügiger Wurfauswahl, kritisierte zudem öffentlich Teamkollegen, aber
       ein Plan, wie es jetzt weitergehen soll, fehlt ihm. „Ich habe keine Ahnung.
       So eine Niederlage muss erst analysiert werden. Unser Management hat aber
       in den letzten Jahren immer wieder hervorragende Arbeit geleistet, darin
       habe ich vollstes Vertrauen und bin mir sicher, dass es auch dieses Mal
       wieder so sein wird“, orakelt Bryant, der dem eigenen Selbstverständnis
       nach stets in die wichtigsten Personalentscheidungen miteinbezogen werden
       will.
       
       Fast bezeichnend, dass die Lakers-Bezwinger aus Oklahoma City quasi der
       Gegenentwurf zur Bryant-Show sind. Ein junges Team mit Esprit und
       Spielwitz, variabel im Angriff und gleichermaßen schnell und konzentriert
       in der Verteidigung. Die Spieler sind bescheidene Schwiegermuttertypen,
       Vorzeigeathleten der NBA 2012. „Wir sind jetzt am selben Punkt wie im
       letzten Jahr“, sagt Thunder-Forward Kevin Durant nach der Partie.
       
       Schon 2011 stand die Mannschaft im Halbfinale, scheiterte dort am späteren
       Meister Dallas Mavericks. „Jetzt müssen wir den nächsten Schritt machen“,
       weiß Durant. Der so schmächtig wirkende 2,06-Meter-Mann ist die erste
       Angriffsoption der Mannschaft, hat so gar nichts vom Gehabe seines
       Gegenübers Bryant.
       
       Überhaupt sind die Thunder nicht nur aufgrund der offensiven Spielweise zu
       einer Attraktion der Liga geworden. Das Dreigestirn aus Durant,
       Aufbauspieler Russell Westbrook und Harden macht die Mannschaft auch schwer
       kontrollierbar. Und Trainer Scott Brooks hat seinen jungen Korbjägern
       Demut, Ruhe und Teamgeist als Maxime ausgegeben – mit Erfolg.
       
       ## Das Team steht über allem
       
       Durant belegte bei der Wahl zum wertvollsten Spieler der regulären Saison
       Platz zwei. Zusammen mit Westbrook und Harden wird er auch für die
       US-Auswahl bei den Olympischen Spielen in London antreten. Dem 46-jährigen
       Brooks ist das fast schon zu viel an individuellen Auszeichnungen: „Ich
       möchte nicht nur diese drei, sondern das gesamte Team, jeden Einzelnen für
       diese großartige Leistung gegen die Lakers loben“, sagt der
       Basketballlehrer nach dem Einzug ins Halbfinale.
       
       Dort warten ab Sonntag die San Antonio Spurs. Ein Klub mit ähnlichem
       Teamgeist, mehr Erfahrung – und damit wohl ein schwierigerer Gegner als die
       Kobe-Bryant-Kombo aus Los Angeles. In der ersten Runde hatte Oklahoma
       übrigens Meister Dallas Mavericks mit 4:0 ausgeschaltet. An der Ostküste
       fuhren derweil die Boston Celtics einen wichtigen Erfolg ein. Durch das
       101:85 gegen die Philadelphia 76ers erhöhte der Rekordchampion in der Serie
       auf 3:2. Das sechste Spiel findet heute in Philadelphia statt.
       
       22 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR David Digili
       
       ## TAGS
       
   DIR Basketball
   DIR NBA
       
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