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       # taz.de -- Nachverfolgung von Netznutzern: Auch Twitter will beim Surfen zusehen
       
       > Nachdem Google und Facebook für ihr Tracking kritisiert wurden, will
       > Twitter nun nachziehen. Nutzer sollen aber von vornherein widersprechen
       > können.
       
   IMG Bild: Wo bist du gewesen?
       
       Wer darf wissen, wo ich mich im WWW herumgetrieben habe? Über diese Frage
       streiten Datenschützer und Werbeindustrie seit Jahren. Der Grund dafür: Auf
       Webseiten werden heute oft Drittangebote integriert.
       
       Facebook mit seinem „Gefällt mir“-Knopf, Google mit seinen verschiedenen
       Angeboten, Werbedienstleister wie die Berliner Nugg.ad AG oder auch Twitter
       sind mit verschiedenen ihrer Funktionen in anderen Webangeboten präsent.
       
       Mithilfe der sogenannten Cookies, kleinen Textdateien, die der Webbrowser
       abspeichert, können sie überall dort, wo ihre Angebote integriert sind,
       nachvollziehen, wenn Nutzer sich auf diesen Webseiten bewegen – und hieraus
       weitere Informationen gewinnen, beispielsweise für Werbung.
       
       Diese Praxis ist höchst umstritten, so streitet das Unabhängige
       Landeszentrum für Datenschutz (ULD) in Schleswig-Holstein seit über einem
       Jahr mit Facebook darüber, ob dies rechtlich zulässig ist oder nicht.
       Twitter möchte nun ebenfalls diese Technik nutzen. Anders als Facebook oder
       die Werbeindustrie verspricht das Kurznachrichtennetzwerk allerdings, die
       Technik erst einmal nur dafür einzusetzen, seinen Nutzern bessere
       Empfehlungen geben zu können, welche anderen Nutzer sie ebenfalls
       interessieren könnten.
       
       Wenige Stunden vor dieser Ankündigung gab Twitter jedoch auch etwas anderes
       bekannt: Man wolle die sogenannte „Do Not Track“-Initiative aktiv
       unterstützen. Dabei handelt es sich um einen neuen Standard, der eben
       solche Beobachtungsmaßnahmen im Netz verhindern soll, wenn der Nutzer das
       will: bereits heute können Nutzer von Firefox und Internet Explorer in
       ihren Browsereinstellungen sagen, dass sie nicht beim Surfen beobachtet
       werden möchten – aus Datenschutzsicht keine optimale Lösung, aber immer
       noch besser als nichts.
       
       ## Opt-In oder Opt-Out?
       
       Datenschützer fordern, dass das Tracking nur bei Zustimmung (Opt-In)
       erlaubt sein soll, die Werbetreibenden finden, dass eine Widerspruchslösung
       (Opt-Out) angesichts der Werbefinanzierung vieler Internetangebote
       ausreichend sein sollte. Die US-Handels- und Verbraucherschutzbehörde
       Federal Trade Commission (FTC) findet ihrerseits die Idee des Widerspruchs
       über eine zentrale Einstellung, wie sie „Do Not Track“ bietet ausreichend –
       und viele der entsprechenden Unternehmen sitzen in den USA.
       
       Um die genaue Umsetzung gibt es Streit: wie alle
       World-Wide-Web-Grundbedingungen soll auch „Do Not Track“ durch das
       Standardisierungsgremium des Webs, das World Wide Web Consortium (W3C),
       normiert werden. Voraussichtlich Ende des Jahres soll dort dann erstmals
       verbindlich festgeschrieben werden, wie „Do not Track“ genau aussehen und
       was es alles umfassen soll.
       
       Klar ist: hinter verschlossenen Türen wird kräftig gestritten. Denn sowohl
       Microsoft als auch Google sind – anders als die Mozilla-Stiftung, die „Do
       not Track“ aktiv vorantreibt – nicht nur Anbieter von Webbrowsern. Sondern
       zugleich auch selbst Anbieter von Werbung im Netz. Der Interessenkonflikt
       zwischen einem zumindest etwas besseren Datenschutz im Netz und den
       Profilbildungsgelüsten der Werbetreibenden ist bei ihnen also schon
       hausintern vorprogrammiert.
       
       ## Chaos in Europa
       
       In Europa hat der Streit auch eine klassisch politische Dimension: die
       sogenannte E-Privacy-Richtlinie sollte für ganz Europa einheitlich regeln,
       welche Maßstäbe für das Tracking angelegt werden sollen.
       
       Doch derzeit herrscht dabei Chaos: der europäische Gesetzestext stellt
       deutlich höhere Hürden für die Nutzerbeobachtung auf, als das, was in der
       Begründung durch die Kommission genannte wurde – und mit der Umsetzung in
       nationales Recht haben es viele Staaten alles andere als eilig.
       
       Eigentlich lief die Frist dafür bereits vor einem Jahr ab. Doch in vielen
       Mitgliedstaaten ist seitdem nichts passiert. Die Bundesregierung versucht
       sich derweil durchzumogeln: sie behauptet einfach, dass die Rechtslage in
       Deutschland die Richtlinienvorgaben bereits ausreichend erfüllen würde.
       
       Was wiederum die EU-Kommission anders sieht. Ob „Do Not Track“ bei der
       Lösung eine wirkliche Hilfe oder nicht eher eine Alibilösung darstellt,
       wird sich erst noch zeigen müssen.
       
       22 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Falk Lüke
       
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