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       # taz.de -- Vorwurf gegen bayerischen Landrat: Das Geschäft mit den Asylbewerbern
       
       > In Bayern suchen zwei Kommunen Unterkünfte für Asylsuchende – und finden
       > sie bei den Kindern des Landrates. Die Opposition wittert Amtsmissbrauch.
       
   IMG Bild: Menschenwürdigere Zustände oder ein gutes Mietgeschäft?
       
       MÜNCHEN taz | Von einer „Notsituation“ spricht Josef Eppeneder, Kritiker
       werfen dem Landrat Amtsmissbrauch und Vorteilsnahme vor. Sohn und Tochter
       von Landrat Eppeneder (CSU) betreiben zwei Asylbewerberunterkünfte in den
       niederbayerischen Orten Vilsbiburg und Wört an der Isar. Bezahlt werden
       diese von der Kommune. Dank der Vermittlung des Vaters profitieren sie so
       direkt von einem Auftrag der Gemeinde.
       
       Eppeneder selbst, das wird schnell deutlich, ist in seiner Version der
       Geschichte der Retter in der Not. Im Januar habe die Regierung von
       Niederbayern den Landkreis Landshut beauftragt, 180 Asylsuchende
       unterzubringen. Die Zahl der Asylbewerber in den Industrieländern ist im
       vergangenen Jahr um 20 Prozent gestiegen – nach Bayern kamen nach Auskunft
       des bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums im vergangenen Jahr 11
       Prozent mehr Flüchtlinge als 2010.
       
       „Wir haben die Pflicht, die Asylsuchenden menschenwürdig unterzubringen“,
       erklärte Eppeneder gegenüber der taz. Wochenlang hätten Verwaltung,
       Ausländerbehörde und Landratsamt über die Medien nach geeigneten
       Unterbringungsmöglichkeiten gesucht. Als nichts gefunden wurde, kam dem
       Landrat eine Idee.
       
       „Im Februar habe ich dem Bürgermeister von Vilsbiburg vorgeschlagen, dass
       die Asylsuchenden vorübergehend im Haus meines Sohnes untergebracht werden
       können“, so Eppeneder. Der Bürgermeister habe zugestimmt, so der Landrat,
       weil kein anderes Gebäude zur Verfügung stand. Ähnlich habe es sich in
       Wörth verhalten.
       
       Hier hatte Eppeneders Tochter soeben ein altes Gasthaus mit Fremdenzimmern
       gekauft, das sie nun der Gemeinde anbot. Dass die beiden Gebäude, die die
       Kinder erst kürzlich gekauft hatten, allein zu diesem Zweck angeschafft
       worden waren, bestreitet der Vater vehement. „Meine Tochter ist Gastwirtin
       und hatte ohnehin nach einer neuen Immobilie gesucht“, so Eppeneder.
       
       ## Kaufverhandlungen für die Kinder geführt
       
       Kritiker wollen nicht so recht glauben, dass da wirklich kein Zusammenhang
       besteht. „Beide Gebäude sind abgewohnte Immobilien, die schon länger auf
       dem Markt waren“, sagt Hans Weinzierl, Fraktionssprecher der Freien Wähler
       im Kreistag. „Meines Wissens lag der Kaufpreis der Gebäude unter 20.000
       Euro.“
       
       Wenn man bedenke, dass die Gemeinde nun einen Tagessatz von 20 Euro pro
       Asylbewerber an die Kinder des Landrates entrichte, ergibt das bei einer
       Belegung mit 20 Menschen eine Mieteinnahme von 12.000 Euro monatlich. „Für
       ein Gebäude, das auf dem üblichen Mietmarkt etwa 1.000 Euro im Monat
       einbringen würde“, so Weinzierl. Die lokalen Medien berichten darüber
       hinaus, dass Eppeneder die Kaufverhandlungen für seine Kinder geführt habe.
       
       Die Regierung von Niederbayern prüft derzeit die Verträge, die zwischen dem
       Landkreis und den Hausbesitzern entstanden sind. Oppositionspolitiker
       Weinzierl verspricht sich davon allerdings wenig: „Das Entscheidende,
       nämlich wie die Kaufverträge zustande gekommen sind und ob der Landrat
       seine Kinder bevorzugt hat, wird von der Landesregierung nicht geprüft.“ Er
       will den Fall nun der Staatsanwaltschaft Landshut und dem bayerischen
       Innenministerium in München vorlegen. Der Bayerische Flüchtlingsrat hat den
       Landrat zum Rücktritt aufgefordert.
       
       Eppeneder reagiert verständnislos: „Ich weiß nicht, was an meinem Verhalten
       verwerflich ist“, sagte er der taz. „Ich habe meinen Kindern keinen
       Informationsvorteil verschafft. Den Bedarf an einem Gebäude konnten sie
       auch aus den Medien entnehmen.“
       
       18 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marlene Halser
       
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