URI: 
       # taz.de -- Blockupy-Proteste: Frankfurt blockiert und räumt
       
       > Frankfurt bleibt dicht: Nach friedlichen Protesten trägt die Polizei am
       > Abend hunderte Demonstranten vom Römerberg. Es kommt zu Szenen wie am
       > Stuttgarter Bahnhof.
       
   IMG Bild: Gerechtigkeit sieht für die Blockupy-Demonstranten anders aus als in Frankfurt.
       
       FRANKFURT/MAIN taz | Erst war es ein ruhiger Tag, dann endete er mit einem
       deutlichen Zeichen an einem besonderen Ort. Am Frankfurter Römer, dem
       Wahrzeichen der Stadt, hatten hunderte friedliche Demonstranten ihre Zelte
       aufgebaut, gesungen, und ein bisschen demonstriert. Ein bisschen nur. Dann
       räumte die Polizei sie ab. Mit aller Macht.
       
       Szenen, wie am Stuttgarter Hauptbahnhof: Getragen, geschoben, weggeschubst
       - so bereinigte die Frankfurter Polizei am Abend den historischen Platz der
       Mainmetropole. Von dem Gewaltszenario vermeintlich randalierender Banden
       blieb am Ende nichts übrig. Hunderte Menschen aller Altersgruppen, oft bunt
       verkleidet, hatten sich am Nachmittag hier versammelt, um gegen die Macht
       der Banken, aber auch gegen ein massives Polizeiaufgebot und das Verbot
       sämtlicher bankenkritischer Demonstrationen in Frankfurt zu protestieren.
       
       Als die Polizei kam, setzten sie sich hin. Mehr nicht. Dann wurden sie
       weggetragen und das war ihr starkes, anrührendes Zeichen: Wir sind
       friedlich. Natürlich. Das war das beeindruckende Zeichen eines Tages, der
       vor allem von einem geprägt war: Dem strikten Versuch der Frankfurter
       Behörden, alle Zeichen von Protest im Ansatz schon zu unterbinden. Und er
       war geprägt von Demonstranten, die sich davon zwar beunruhigen, nicht aber
       provozieren ließen.
       
       ## Rote Herzchen statt Krawall
       
       Die Zelte im Occupy-Camp vor der Europäischen Zentralbank stehen noch, die
       Transparente hängen auch. Nur Demonstranten gibt es hier nicht mehr, seit
       das Lager am Mittwoch von der Polizei geräumt wurde. Über dem Eingang des
       menschenleeren Zeltlagers hängt ein Transparent. Aufschrift: „Wer macht
       denn hier Krawall?“ Ein rotes Herzchen baumelt daran. Eurotower,
       Kaiserstraße 29. Das ist das Zentrum der Blockade.
       
       Frankfurt am Main ist im Ausnahmezustand, die Stadt blockiert. Nur sind es
       nicht Demonstranten, sondern eine beispiellose Stadtpolitik, die in den
       vergangenen Tagen ein Szenario der Stille besorgte.
       
       Nicht weit entfernt von hier, in der Kindertagesstätte KIZ in
       Frankfurt-Gallus, begann die Blockade am Anfang der Woche. Eltern riefen
       aufgeregt im Kindergarten an: Ob sie ihre Kinder noch zur Betreuung
       schicken dürften? Auch die Leitung der Goethe-Universität teilte am
       Mittwoch auf Anraten der Stadt eilig mit: Bis Sonntag falle alles
       Universitäre aus, die Uni sei geschlossen. Keine Sorge, heißt es in einem
       Schreiben, die Löhne würden gezahlt.
       
       „Auf polizeiliche Anordnung halten keine S-Bahnen in der Taunusanlage“, so
       steht es am Donnerstag auf den blauen Anzeigetafeln an vielen
       S-Bahn-Haltestellen der Stadt. Luxusgeschäfte sind verbarrikadiert, Banken
       bleiben am Freitag zu. Wer am Freitag im Frankfurter Römer heiraten wollte
       – aus „Sicherheitsgründen“ gibt es Trauungen nur außerhalb der Innenstadt.
       Ein Stadtbeschluss.
       
       Vor 40.000 Demonstranten hatten die Behörden in den letzten Tagen immer
       wieder gewarnt – darunter sollten 2.000 Gewaltbereite sein. Das wären bei
       Weitem mehr Gewaltbereite als die Polizei am 1. Mai in Berlin zählt.
       Tatsächlich geschaftt haben es am Donnerstag nur wenige Hundert.
       
       ## Die Polizei kesselt sofort ein
       
       Am Morgen wurden Reisebusse mit rund 200 Demonstranten aus Berlin schon vor
       Frankfurt von der Autobahn geleitet. Es folgten Identitätsfeststellungen
       und Aufenthaltsverbote. Obwohl am Samstag eine legale Demonstration
       stattfindet dürfen die Kapitalismusgegner die Stadt bis Sonntag nicht
       betreten.
       
       Jedesmal, wenn sich im Laufe des Tages Gruppen von Demonstranten in der
       Stadt zusammenfinden, ist sofort die Polizei zur Stelle und kesselt sie
       ein. Es ist ein Feiertag voller Blockaden und nicht erfüllter Pläne. Die
       Stadt, aufgerüstet mit 5.000 Polizisten, ist im Ausnahmezustand.
       
       Vor dem Hauptbahnhof haben sich Polizisten postiert, sie durchsuchen
       Ankommende, die sie für Demonstranten halten, beschlagnahmen Zelte. Umringt
       von 200 Menschen steht auf dem Bahnhofsvorplatz ein Mann, er singt „Schalom
       Alechem – Wir wollen Frieden auf Erden“, andere stimmen mit ein. Neben ihm
       steht Henning Zierock, ein Barde aus Stuttgart, der im dortigen Kampf um
       den Hauptbahnhof seit Jahren engagiert ist. „In Deutschland wird oft über
       Russland geschimpft. Aber heute sind die Verhältnisse hier schlimmer“, ruft
       er.
       
       Am Hauptbahnhof übertönt eine Polizeidurchsage das Friedenslied: „Sollten
       Sie hier trotz Verbot demonstrieren, dann könnte auch die bislang noch
       erlaubt Demonstration am Samstag verboten werden.“ Doch die Menschen hier
       singen lieber, sie hören der Polizei nicht mehr zu. „Wir bitten Sie, alles
       zu unterlassen, was wie eine Demonstration wirken könnte“, schallt es aus
       dem Polizeilautsprecher.
       
       Die Polizei lässt keine Zusammenkünfte zu.
       
       Frankfurt, Paulsplatz. Ingo und Gaby, ein Ehepaar aus einem Frankfurter
       Vorort, beide sind um die 60, stehen hier, wo 1848 die erste deutsche
       Nationalversammlung tagte, mit einigen hundert anderen Menschen. Beide
       tragen ein Grundgesetz in der Hand und halten es hoch. Die
       schwarz-rot-goldene Flagge ist darauf zu sehen. „Wir sind gekommen, weil
       wir gehört haben, dass die Gerichte den Polizeistaat eingeführt haben. Es
       kann nicht sein, dass sich Frankfurter nicht vor der Paulskirche versammeln
       dürfen.“
       
       ## Ein klein wenig Protest-Kolorit
       
       Kaiserstraße 29. Ein wenig verrostet sind die Absperrgitter, die die
       Polizei hunderte Meter rund um die Europäische Zentralbank postiert hat. Es
       ist still hier, kein Verkehr, die Sonne scheint, wo sich heute und morgen
       tausende Kapitalismusgegner die Straße für ihre Proteste aneignen wollten.
       
       Nur später, am Nachmittag, vor dem Rathaus, dem Römer wird ein klein wenig
       Protest-Kolorit geduldet. Einige Hundert stellen doch noch ein paar Zelte
       auf, die Polizei schreitet nicht sofort ein. Vielleicht kommen die wilden
       Straßenschlachten ja noch, irgendwann. Aber: Blockiert ist schon alles. Und
       zwar mächtig.
       
       17 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR M. Kaul
   DIR T. Reuter
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Blockupy: Behörden sorgen für Bambule
       
       In Frankfurt führen die Behörden de facto ein Notstandsrecht aus. Dafür
       gibt es aber keine Grundlage. Ein waschechter Skandal, der Konsequenzen
       haben muss.
       
   DIR Blockupy in Frankfurt: Der Zustrom der Empörten wird größer
       
       Die Demonstrationen gegen den Kapitalismus in Frankfurt entwickeln sich zu
       Protesten für die Versammlungsfreiheit. Der Polizei ist das egal.
       
   DIR Blockupy in Frankfurt: Bis zur letzten Instanz
       
       Die Occupy-Aktionen bis Freitag wurden verboten. Undifferenzierte
       Aufenthaltsverbote wurden allerdings wieder zurückgenommen. Die Groß-Demo
       am Samstag findet statt.
       
   DIR Blockupy und Finanzpolitik: Dabei verbockt es Merkel
       
       Warum protestieren die Aktivisten von Occupy vor der Europäischen
       Zentralbank? Dort sind sie gänzlich falsch. Raus aus Frankfurt, ab nach
       Berlin!
       
   DIR Polizeieinatz Blockupy: Weder Drohnen noch Zellenauswertung
       
       Der riesige Polizeieinsatz in Frankfurt ist vergleichbar mit Einsätzen wie
       am 1. Mai in Berlin oder am 13. Februar in Dresden. Doch nicht alles läuft
       gleich.
       
   DIR Die Frankfurter Verbots-Choreographie: Blockupy lässt sich nicht isolieren
       
       Die Stadt Frankfurt und die Polizei versuchen mit allen Mitteln Blockupy zu
       verhindern. Sogar die Universität schließt ihre Gebäude. Aktivisten wollen
       dennoch demonstrieren.
       
   DIR Globalisierungskritik in Frankfurt: Occupy-Camp ist Geschichte
       
       Die Aktivisten haben den Kampf gegen die Frankfurter Behörden vorerst
       verloren. Doch die Stimmung bleibt vor den anstehenden Blockupy-Aktionen
       optimistisch.