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       # taz.de -- Dem Rocker an den Kragen: Hells Angel angeklagt
       
       > Noch vor kurzem engagierten in Walsrode öffentlich geförderte Vereine
       > seine Firmen, jetzt klagt die Staatsanwaltschaft die Rotlicht- und Hells
       > Angels-Größe Wolfgang Heer an.
       
   IMG Bild: Razzien im Rotlichtmilieu: Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) durchsuchen ein Bordell in Walsrode.
       
       HANNOVER taz | Wegen ausbeuterischer und dirigistischer Zuhälterei hat die
       Staatsanwaltschaft Verden Anklage gegen den Walsroder Bordellbetreiber und
       Schatzmeister der Hells Angels Deutschland, Wolfgang Heer, erhoben.
       
       Hintergrund ist eine Razzia aus dem vergangenen August, bei der 140
       Polizeibeamte zeitgleich sieben Bordelle, drei Wohnungen, drei
       Geschäftsräume und mehrere „Lovemobile“ in Walsrode und Umgebung durchsucht
       hatten. Damals ermittelte die Staatsanwaltschaft noch wegen Menschenhandels
       und Insolvenzverschleppung gegen neun Personen aus der Rocker-Szene.
       
       Diese Vorwürfe wurden zwischenzeitlich fallen gelassen, zu einer Anklage
       wegen ausbeuterischer Zuhälterei kam es nur gegen Heer, zwei weitere
       Beschuldigte und einen Gehilfen. 57 Frauen führt der Sprecher der Verdener
       Staatsanwaltschaft, Lutz Gaebel, als Geschädigte an. Die meisten von ihnen
       Osteuropäerinnen, die nur schlecht oder gar kein Deutsch sprechen.
       
       Heer und seine Mitbeschuldigten sollen die Frauen laut Gaebel zur
       Prostitution angehalten und zugleich Gründe geschaffen haben, „ihnen das
       Geld, das sie erarbeitet haben, gleich wieder wegzunehmen“. So sollen ihnen
       Kleidungsvorschriften, Arbeitszeiten und -orte oder die Preisgestaltung
       vorgegeben worden sein.
       
       Wer sich nicht daran gehalten hat, habe Strafgeld zahlen müssen. „Die
       Frauen waren nicht frei in ihrer Berufsausübung“, sagt Gaebel. Insgesamt
       sei der Großteil ihres Lohns einbehalten worden. Für die sogenannten
       Lovemobile etwa müssten sie Miete zahlen, selbst Transportfahrten dorthin
       hätten sie wie Taxifahrten bezahlen müssen.
       
       Heer selbst bestreitet die Vorwürfe gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen
       Zeitung und nennt die Anklage einen „großen Lacher“. „Ich weiß gar nicht,
       was die wollen“, lässt er sich zitieren. Bis auf zwei Frauen würden alle
       der 57 Geschädigten noch heute bei ihm arbeiten. Dem Prozess, bei dem ihm
       bis zu fünf Jahren Haft drohen, sehe er „gelassen“ entgegen.
       
       An seinem Image als Wohltäter in der Kleinstadt Walsrode aber dürfte die
       Anklage kratzen: In Walsrode und Umgebung beherrscht Heer nicht nur das
       Rotlichtgeschäft, gemeinsam mit seiner Familie hat er ein ganzes
       Firmengeflecht mit Bowlingcenter und Fitnessstudio aufgebaut. Bei örtlichen
       Vereinen und Institutionen tritt er als zahlungsfreudiger Spender auf. Ein
       streitbares Engagement, das vor allem der Walsroder Grünen-Ratsherr Detlef
       Gieseke seit 2010 immer wieder zur Sprache gebracht hat.
       
       Das Gros der Stadtoberen hingegen hat sich erst nach monatelanger
       Diskussion klar positioniert. Auch die parteilose Bürgermeisterin Silke
       Lorenz hielt die Frage, ob man mit Hells Angels-Mitgliedern kooperiert,
       lange Zeit für eine „Frage, die jeder mit sich selbst ausmachen muss“. Erst
       Ende 2011 sprach sich der Stadtrat in einer Resolution gegen eine
       Zusammenarbeit mit „Clubs, deren Ziele und Einstellungen der Rat nicht
       teilt“ aus.
       
       Zuvor war die Sicherheitsfirma GAB Security, die Heer und dem Hannoveraner
       Hells Angels-Chef Frank Hanebuth gehört, neben dem örtlichen Fußballverein
       auch vom kommunal geförderten Stadtmarketing-Verein engagiert worden. Die
       Konzertreihe „Walsroder Mittwoch“ etwa hat der Förderverein Stadtmarketing
       noch im vergangenen Sommer von Heers Securityleuten bewachen lassen.
       
       In diesem Jahr will der Verein zwar auf deren Dienste verzichten. Heer und
       seine Familie mischen bei den „Walsroder Mittwochen“ trotzdem wieder mit.
       Für Anfang August ist die Bremer Band „Hells Balls“ – englisch für
       Höllen-Hoden – angekündigt. Ausrichter des Abends: das „Collosseum
       Bowling“-Center. Geschäftsführer dort: Heer junior.
       
       17 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Teresa Havlicek
       
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