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       # taz.de -- Sinti und Roma statt NSU unter Verdacht: Das Bedauern des Bundeskriminalamts
       
       > BKA-Chef Ziercke bedauert, dass Sinti und Roma nach dem Mord an der
       > Polizistin Michèle Kiesewetter unter Verdacht gerieten. Die Schuld gibt
       > er den Medien.
       
   IMG Bild: Will „keine Bevölkerungsgruppe unter Generalverdacht“ stellen: BKA-Chef Jörg Ziercke.
       
       BERLIN taz | Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke,
       bedauert die öffentliche Falschverdächtigung von Sinti und Roma bei den
       Ermittlungen im Mordfall der Polizistin Michèle Kiesewetter. „Ich kann
       Ihnen versichern, dass es im Interesse aller deutscher Sicherheitsbehörden
       liegt, keine Bevölkerungsgruppe unter Generalverdacht zu stellen“, schreibt
       Ziercke in einem Brief an den Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti
       und Roma, Romani Rose, der der taz vorliegt.
       
       Allerdings sieht Ziercke die Schuld, dass die Täter in den Reihen von Sinti
       und Roma verortet wurden, weniger bei der Polizei als bei den Medien. Sie
       hätten die Spekulationen in die Welt gesetzt, durch die Sicherheitsbehörden
       seien sie „nach meinem Kenntnisstand jedoch nicht befördert“ worden, heißt
       es in dem Schreiben.
       
       „Ich kann Ihre Verstimmung hinsichtlich der medialen Aufbereitung des
       damaligen Geschehens sehr gut nachvollziehen“, so Ziercke. Es wäre daher
       besser gewesen, die Behörden hätten die „hohe Bandbreite der Ermittlungen
       und Spurenlagen“ offensiver kommuniziert, womit der in den Medien
       entstandene Eindruck „möglicherweise frühzeitiger relativiert“ worden wäre.
       
       Im April 2007 war in Heilbronn die Polizistin Kiesewetter erschossen
       worden. Wie man heute weiß, war sie das zehnte Opfer des
       Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Viereinhalb Jahre lang
       ermittelte die baden-württembergische Polizei ohne Ergebnis in verschiedene
       Richtungen.
       
       ## Polizei suchte ein „Phantom“
       
       Weil sich in der Nähe des Tatorts Sinti und Roma mit ihren Wohnwagen
       aufgehalten hatten, rückten auch sie ins Visier. Befeuert wurde der
       Verdacht gegen sie durch eine verunreinigte DNA-Spur, die den Mord an
       Kiesewetter mit einer ganzen Reihe von Straftaten in ganz Deutschland in
       Verbindung brachte. Von einem umherreisenden „Phantom“ war in Zeitungen die
       Rede, mit einer „eventuellen Zugehörigkeit zu einem Clan von Sinti und
       Roma“.
       
       Dass die Medien den falschen Verdacht allein in die Welt setzten, wie
       Ziercke behauptet, stimmt aber nicht. So zitierte etwa der Stern damals
       einen anonymen Ermittler, die „heißeste“ Spur führe ins „Zigeunermilieu“.
       Auch eine Heilbronner Staatsanwältin äußerte sich ähnlich.
       
       Am Donnerstag traf Zentralratschef Rose Ministerpräsident Winfried
       Kretschmann zu dem Thema. Der Zentralrat erhofft sich eine Art
       Ehrerklärung, eine Einigung gab es dazu aber nicht. „Wir bleiben im
       Gespräch“, hieß es im Staatsministerium.
       
       11 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf Schmidt
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rechter Terror
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