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       # taz.de -- FDP-Fraktion verschickt Werbebrief: Der Bundestag guckt nochmal drüber
       
       > Die FDP hat einen Brief von Fraktionschef Brüderle verschickt – und hat
       > sich den Vorwurf der unzulässigen Wahlwerbung eingehandelt. Nun prüft der
       > Bundestag die Aktion.
       
   IMG Bild: Will nur über die Tätigkeit der Fraktion informiert haben: Rainer Brüderle.
       
       KÖLN taz | Eigentlich ging es für die FDP in Schleswig-Holstein und
       Nordrhein-Westfalen gerade wieder aufwärts. Mit einem riesigen
       Wahlkampfaufwand haben es die Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki und
       Christian Lindner geschafft, ihren jeweiligen Landesverband in den Umfragen
       wieder über die Fünfprozenthürde zu hieven. Doch mitten im Schlussspurt
       sorgen nun fragwürdige Werbeaktionen der Liberalen für Ärger.
       
       Es geht um einen Kinospot der FDP-Bundestagsfraktion und einen Brief, den
       ihr Vorsitzender Rainer Brüderle in den vergangenen Tagen in Tausende von
       Briefkästen werfen ließ. „Sehr geehrte Damen und Herren“, beginnt das
       Schreiben, „sicher kennen Sie das auch: Wir können uns nicht immer all das
       leisten, was wir uns wünschen.“
       
       Für dieses Problem scheint die hoch verschuldete FDP ihre ganz eigene
       Lösung gefunden zu haben: Nachdem sie bereits einen Kredit aufnehmen
       mussten, um ihre Wahlkämpfe im Westen und Norden der Republik zu
       finanzieren, setzen die Liberalen jetzt auch noch zusätzlich und womöglich
       unzulässigerweise auf Staatsknete.
       
       Für den Brüderle-Brief sei „ein klares Urteil der Unzulässigkeit zu
       fällen“, urteilt der Staats- und Parteienrechtler Martin Morlok. Zwar sei
       es Fraktionen erlaubt, über ihre Arbeit zu informieren. Verboten sei es
       ihnen jedoch, Wahlkampfaktivitäten zu betreiben. Im konkreten Fall sei „der
       Bezug zur parlamentarischen Arbeit in dem Schreiben nicht vorrangig“,
       schreibt Morlok in einem zwölfseitigen Gutachten, das der Professor im
       Auftrag der NRW-Grünen erstellt hat. Sowohl die äußere Gestaltung als auch
       der Inhalt hätten insgesamt einen deutlich werbenden Charakter – und das in
       der heißen Phase des Wahlkampfes.
       
       Für die Bewertung Morloks spricht, dass sich die FDP-Bundestagsfraktion
       offenkundig eines besonderen Services der Deutschen Post AG bedient hat.
       Unter dem Titel „Menschen erreichen, Wähler aktivieren, Stimmen sichern“
       bietet die Post gegen Bares den Parteien an, „Wähler-Zielgruppen präzise zu
       bestimmen“, „die verschiedenen Wählergruppen zu lokalisieren“ und „Wähler
       mit perfekt aufeinander abgestimmten Kommunikationsmedien im richtigen
       Moment zu erreichen und für die Wahl zu mobilisieren“. Genau so hat es
       Brüderle gehalten.
       
       ## „Die Bevölkerung informieren“
       
       Die FDP-Bundestagsfraktion bestreitet allerdings vehement den Vorwurf der
       unzulässigen Wahlwerbung. Es sei nun mal ihre „Aufgabe, die Bevölkerung
       regelmäßig über die Arbeit unserer Abgeordneten im Deutschen Bundestag zu
       informieren“, sagte Fraktionssprecherin Beatrix Brodkorb. „Um diesem
       Auftrag gerecht zu werden, haben wir seit Jahresanfang die
       Informationskampagne ,Freiheit bewegt' geplant.“ Mit den Landtagswahlen an
       diesem und am nächsten Sonntag habe das nichts zu tun. Und
       NRW-Spitzenkandidat Lindner ließ mitteilen, er „gehe davon aus, dass
       rechtlich alles in Ordnung ist“.
       
       Inzwischen lässt Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) den Vorgang
       überprüfen. Die Bundestagsverwaltung nehme derzeit eine Sachverhaltsklärung
       vor, erklärte ein Parlamentssprecher.
       
       Wo sie gerade dabei ist, kann die Verwaltung gleich auch noch einen
       Kinospot unter die Lupe nehmen, den die FDP-Fraktion im Rahmen ihrer
       „Freiheit bewegt“-Kampagne seit dem 26. April in ausgewählten Kinos laufen
       lässt. Auch bei diesem Spot, in dem „die Information über Bundespolitik nur
       kurz alibimäßig ganz am Ende“ vorkomme, „riecht alles nach Wahlwerbung“,
       kritisierte der parlamentarische Geschäftsführer der grünen
       Bundestagsfraktion, Volker Beck.
       
       4 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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